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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Das Momentum in einem Billardmatch

Gepostet von am 3. Oktober 2017

Das Momentum in einem Billardmatch

Kozoom

Autor: Bert van Manen
Übersetzt von Andreas Volbracht

Was würde man davon halten, wenn Conor McGregor nach seiner Niederlage gegen Floyd Mayweather im Fernsehinterview mit den folgenden Worten erklärte, woran es gelegen hat: 

„Der hat ständig seine Fäuste hochgehalten, da konnte ich seinen Kopf nicht treffen.“

In ganz ähnlichen Worten erklären Billardspieler aber gerne, warum sie kläglich verloren haben. Wir alle leiden schwer darunter, wenn dieser andere da uns einfach nicht ins Spiel kommen ließ.

Wie kommt es aber, dass sich kaum jemals einer der Topspieler über schwierige Positionen beschwert, wie wir es so gerne tun? 

Hauptgrund: Sie ERWARTEN von ihren Gegnern, dass die defensiv spielen, und wenn doch mal eine günstige milde Gabe auf dem Tisch liegen bleibt, ist das keine Belohnung, sondern ein glücklicher Sonderbonus. 

Zweiter Grund: sie haben genug Erfahrung, um zu wissen, dass sich das auf lange Sicht ausgleicht. Manchmal wird deine schön geplante Verteidigung als kinderleichter Ticky für deinen Gegner liegen bleiben. Im nächsten Monat läuft es genau anders rum. Wenn man 1000mal eine Münze wirft, dann bleibt Wappen und Zahl jeweils relativ genau 500mal oben liegen.

Das Grausame im modernen Dreiband liegt darin, dass die Münze bloß 20mal geworfen wird ... und manchmal auch nur sieben mal. „Sieben“ – das war die Zahl der Aufnahmen, die Fred Anfang des Jahres in Bursa beim WeltCup gebraucht hat, um Dick zu schlagen.

In Cheongju hat Choong Bok Lee in 13 Aufnahmen Minh Cam Ma  mit 40:12 geschlagen. Hatte Ma da nicht 13mal die Chance, das Match rumzubiegen? Nein, höchstens 3mal. Das kommt oft vor - dass man nichts daran machen kann. Du spielst gut, machst von dir aus keine Fehler, achtest auf Verteidigung und verlierst trotzdem mit deutlichem Abstand. 

Keiner will es gerne wahrhaben, aber es ist so: Es gibt den Glücksfaktor im Dreiband, wie es heute gespielt wird. Wirf deine Münze siebenmal und es kann sechsmal Zahl kommen und einmal Wappen. Nein, Caudron hat natürlich nicht mit Glück in Bursa gewonnen. Die Partie war ein absolutes Glanzstück.

Aber das „EINMAL“, dafür sollte man ein Gefühl entwickeln. Die EINE Gelegenheit, die  einmal geöffnete Tür, das kann ein Match herum drehen. Du musst daraus nicht gleich die Superserie machen, aber du musst den Moment nutzen, um das Momentum, die Dynamik dieses Spiel zu verändern.

Nehmen wir mal die ersten vier Aufnahmen in einer Partie, die wir aufgezeichnet haben. Du lässt den ersten deutlich aus, den nächsten nur um Haaresbreite, dann folgt  aus einer schwierigen Position ein erstklassiger Ball, ein zweiter Punkt, aber keine gute Stellung, also bleibt es bei zwei. Dann lässt du wieder aus bei einer schwierigen Stellung. Du hast 2 Punkte in 4 Aufnahmen gemacht. Sechs Versuche, von denen 4 super gut waren, einer so lala, einer furchtbar. Wenn du diese Qualität in deinem Spiel regelmäßig zeigst, dann spielst du über die ganze Saison 1,000 GD. Um da stehst du nun nach diesen vier Aufnahmen bei 0,500.

Schauen wir genauer, was dein Gegner geleistet hat. Er hat eine super Position in der ersten Aufnahme serviert bekommen und macht fünf. Seine gute Verteidigung führte zu deinem Fehler in der zweiten Aufnahme. Er macht noch eine kleine 3er Serie in der vierten Aufnahme und führt nun 2:8. Sowohl die 5er als auch die 3er Serie endeten mit einem schwachen Abschluss – gut machbare Bälle verschossen. Er steht da mit 2,000 Durchschnitt und hat mehr Fehler gemacht als du. 

So eine kleine PHASE mit drei/vier/fünf Aufnahmen, in der ein Spieler am Tisch klar dominiert, wo er das Glück hat defensiv spielen zu können, wenn er es will, die kann das Ergebnis eines einzigen kleinen Fehlers sein. In dem Beispiel oben habe ich zwei Spieler beschrieben, die rund 1,000 GD in einer WeltCup Qualifikation gespielt haben, in Partien bis 25 und 30 Punkte.

Zwei, drei solche Fehler, die zwei oder drei solche Phasen ermöglichen, reichen, um ein Spiel zu entscheiden. Achte darauf, wenn es passiert, erkenne die entscheidenden Momente.

Überwinde die Verteidigung, die dein Gegner hinterlässt, mit einem soliden Vorbänder: dann hast du den Moment beim Schopf gegriffen, du bestimmst das Momentum, du lenkst die Kräfte in die richtige Richtung. 

Er serviert dir eine unmögliche Position, und du zahlst es ihm mit gleicher Münze heim. Sieh dir an, ob er das genauso gut hinkriegt.

Er macht fünf, aber macht nicht dicht, als er den sechsten auslässt. Du antwortest mit vier und DU schickst die Bälle nach Sibirien. Er hat einen Punkt mehr gemacht, aber du bist der moralische Sieger, denn du hast es geschafft, die Dynamik zu deinen Gunsten zu verändern.

Eine „Phase“, in der man am Tisch dominiert, dauert selten länger als vier/fünf Aufnahmen. Glück, Zufall, ein Konter, eine Fehlentscheidung oder ein Geniemoment werden diese Phase der Dominanz, in der du die volle Kontrolle über deinen Gegner hattest, unterbrechen. Gibt´s Ausnahmen von dieser Regel? Kommt es vor, dass die Dominanz am Tisch ein ganzes Match andauert? Na klar! Sowohl Ceulemans als auch Merckx haben schon 40 zu 1 gewonnen. Caudron hat 50 zu 4 und 40 zu 3 gewonnen, Jaspers 40 zu 4. In allen diesen Fällen spielten sie gegen einen guten (1,000  Durchschnitt oder besser) Gegner. 

Ein besseres Beispiel als das berühmte 50 zu 6, das Roland Forthomme im Jahr 2004 zustande gebracht hat gibt es wohl nicht. Da hat er das Spiel vom Anfangsball bis zum Matchpunkt voll kontrolliert und in allen 11 Aufnahmen des Spiels den Wechsel von Angriff und Verteidigung klar dominiert. Sein Gegner war kein geringerer als der große Schwede selbst. 

Aber selbst wenn du der beste Spieler aller Zeiten bist, kannst du aus Hühnerkacke keinen Geflügelsalat machen.  

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