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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Des einen Freud´ - des anderen Leid

Gepostet von am 25. November 2019

Des einen Freud´ - des anderen Leid

Kozoom

Kolumne von Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

Nur wenige Turniere haben so seltsame Ereignisse und Ergebnisse produziert wie die Weltmeisterschaften im Dreiband. Da gab es mehrere Jahre, in denen der Gewinner der Goldmedaille nicht einmal unter den besten 30 der Weltrangliste zu finden war. In einigen Jahren fand gar keine WM  statt! Wie verrückt ist das denn? Kann sich einer eine Presseerklärung aus Wimbledon vorstellen, in der es heißt: "Nö, diesen Sommer fällt Wimbledon aus, tschüß bis nächstes Jahr"? 

Ursache war in beiden Fällen - überhaupt kein Turnier (1992 - 1993)  und semiprofessionelle Sieger (1994 - 1996) –die Kontroverse zwischen BWA und UMB. Kein vernünftiger Mensch will diese Geschichte nochmal schreiben müssen. Oder etwa doch? Vielleicht wäre es hilfreich, wenn wir die rührigen Macher in der Billardwelt davon überzeugen, dass es bei den Machtkämpfen hoch oben über den Köpfen der Spieler immer nur einen Verlierer gibt: den Sport. 

Der letzte Weltmeistertitel, den der große Raymond Ceulemans am Ende einer (seiner!) langen  Ära gewonnen hat, scheint mir ein geeigneter Startpunkt für eine Tour durch die WMs der letzten Jahre zu sein. Lasst euch mitnehmen auf die Zeitreise – hier und da mit meinem kurzen Kommentar.   

2001 - Luxemburg. Mister 100 war schon 64 Jahre alt, als er seinen 21. Einzeltitel im Dreiband holte. Caudron wurde von Jaspers entsorgt, Jaspers verliert dann gegen Zanetti und Zanetti im Finale gegen Ceulemans. Wo war Blomdahl? Er hatte sein Viertelfinale gegen Luis Avila aus Mexiko verloren. Unter allen Weltmeistertiteln, die RC gesammelt hat, ist dieser sicher unter seinen persönlichen Favoriten. 

2002 - Randers. Zanetti hatte sich von dem verlorenen Finale 2001 erholt und im darauf folgenden Jahr holt er sich den Titel. Im Finale schlägt er den Heimfavoriten Dion Nelin. Siebzehn Jahre später KÖNNTE es in derselben Stadt eine Wiederholung dieses Finales geben! Beide Spieler sind dabei, und beide sind in guter Form.

2003 - Valladolid. Da gab es den einzigen Weltmeistertitel für Semih Sayginer, er war in diesen Jahren ohne Zweifel einer der 3 besten  Spieler auf der Welt -  Nummer 1 auf der Rangliste. Der Verlierer im Finale: der junge Filipos Kasidokostas, der dir alles über die Leiden bei Weltmeisterschaften erzählen kann ... und die Freude.

2004 - Rotterdam. Dick Jaspers gewinnt seinen zweiten Weltmeistertitel (nach St. Etienne 2000), und der Mann, der im Finale geschlagen wurde, war wieder Filipos Kasidokostas. Jetzt weißt du, was diesen Griechen so stark gemacht hat: Er hat viel durchgemacht.  

2005 - Lugo. Wenn du auf YouTube suchst, findest du einen Clip von Jean Paul de Bruijn, wo der für Dani Sánchez applaudiert, nachdem der Spanier seinen letzten Punkt gemacht hat. Das war 100%ig schiere Bewunderung von einem Sportler für den anderen. Dani hatte nahezu fehlerfreies Dreiband gespielt, für die drei Sätze nur 13 Aufnahmen gebraucht und mit 3,461 Durchschnitt gewonnen. 

2006 - St. Wendel. Ein erster WM-Titel für Eddy Merckx. Fast möchte man sagen: Das war unvermeidlich. Überraschung des Turniers: Nikos Polychronopoulos, der Silber gewann. Nachdem Poly´s Landsmann Kasidokostas bereits im Achtelfinale ausgeschieden war, wollte Merckx auch ihm den Titel vorenthalten und selber mit nach Hause nehmen. Vergessen wir nicht, dass der Merckx von heute ein viel besserer Spieler ist als er es damals war.

2007 - Cuenca. Das war eine jener seltenen Meisterschaften, bei denen es ein kollektives Favoritensterben gab: ALLE Favoriten stolperten und fielen. Caudron verlor gegen Forthomme, Forthomme gegen Sánchez. Blomdahl verlor gegen Jaspers, Jaspers verlor gegen Umeda. Merckx verlor gegen Poly, Poly gegen Rodriguez. Die letzten, die dann noch aufrecht standen: Umeda und Dani Sánchez. Sensationell verliert auch hier der Favorit, und der Japaner gewinnt als krasser Außenseiter den Titel.    

2008 - St. Wendel. Der zweite Weltmeistertitel für Marco Zanetti, er besiegte Blomdahl in einem echten Thriller. Es gab im Finale im fünften Satz ein 15-13, und damit hatte der Italiener die Wende gegen den Schweden geschafft, der zwanzig Jahre lang ihre (WeltCup-) Spiele dominiert hatte. 

2009 - Lausanne. Endlich: der WM Titel für Filipos Kasidokostas. Damals spielte er noch mit rechts, und das Zittern wirkte sich noch nicht so stark auf sein Spiel aus wie später. Er brachte es fertig, Eddy Merckx im Finale zu schlagen, und wie wir alle wissen, ist das alles andere als eine leichte Übung.

2010 - Sluiskil. Im Finale 2010 fühlte man fast genauso mit dem Mann, der nicht gewann, wie mit Dani Sánchez. Eddy Leppens war so verdammt nah dran, das Poulidor-Etikett des "Besten der Welt, der nie gewinnt" abzuschütteln, nachdem er schon mit 2: 0 in Sätzen in Führung lag. Es sollte nicht sein, die Nerven entschieden im engen fünften Satz. Der Spanier gewann 15-12 und damit seinen dritten Weltmeistertitel.  

2011 - Lima. Jaspers spielte gegen Sánchez ein absolut brillantes Halbfinale: 3 : 0 und 45 in 10 Aufnahmen. Das Finale gegen Zanetti war fast das Gegenteil: langsam, defensiv, in jeder Hinsicht schwierig. Am Ende hatte der Niederländer das letzte Wort, er gewann 3: 2 und einen dritten Titel. 

2012 - Porto. Erstaunliches passiert in WMs. Was war mit Jaspers, der gegen O (das ist der Vorname) Takeshima verliert? Was war mit Blomdahl, der nicht an Oliveira und Aristizabal in seiner Gruppe vorbeivorkommt? Was mit den VIER Spielen von den letzten 16, die 40 : 39 enden? Merckx gewann seinen zweiten Titel im Finale mit Sung Won Choi. Den Namen musste man sich merken.

2013 - Antwerpen. In dieser Kolumne gab es wenig über Frédéric! Das liegt daran, dass - angesichts seines überragenden Talents - seine Ergebnisse bei Weltmeisterschaften nicht so gut waren, wie sie hätten sein können. Er hatte den Titel 1999 in Bogota gewonnen, aber seitdem nur ein  Halbfinale erreicht. 2013 gab es aber nichts zu deuteln. In großem Stil gewinnt er seinen zweiten Weltmeistertitel mit (nun zum dritten Mal) Kasidokostas als Verlierer im Finale.

2014 - Seoul. Blomdahl war – nachdem er zuletzt 1997 gewonnen hatte - wieder in einem WM-Finale. Drei WM-Finales hatte er nach 97 verloren: gegen Sánchez, Caudron und Zanetti. Die Wunde wurde wieder aufgerissen: Sung Won Choi besiegt ihn mit 40-37 in 20, mehr Herzschmerz und das Warten geht weiter. Choi wird über Nacht in Südkorea zum Nationalhelden. Von seiner Wolke schaute Sang Lee nach unten, und er sah, dass es gut war.

2015 - Bordeaux. Ohne 1974 und 2018 würde ich 2015 als "das aufregendste WM-Finale, das wir erlebt haben" bezeichnen. Im Grunde gebührt der erste Platz allen dreien. Dong Koong Kang hatte den Titel im Jahr 2015 schon so gut wie in der Tasche, nachdem er Blomdahl mit 40-34 besiegt hatte. Nur gab es noch den vermaledeiten Nachstoß. Der Schwede, kalt wie eine Hundeschnauze, macht die  sechs und gewinnt das Shootout. Niemand kann DKK verübeln, dass er völlig geschockt war. Das muss so wehgetan haben. Blomdahl beendet eine Wartezeit von 18 Jahren. Der Champagner floss in Strömen.

2016 - Bordeaux. Wieder ein großes Ereignis in Frankreich, mit Sayginer im Halbfinale, ein Ausrufezeichen für die Stärke seines Comebacks, ein weiteres "fast" für Leppens und ein beeindruckendes Spiel von Haeng Jik Kim, der es ins Finale schaffte. Dennoch - kein Titel: es gibt nicht viele, die so auf den Punkt die Gelegenheit beim Schopf ergreifen können wie Dani Sánchez. Er gewinnt 40-37 in 19, sein vierter Weltmeistertitel!

2017 - Santa Cruz. Es ist nicht ganz einfach, nach Bolivien zu kommen, und auch nicht leicht dort zu gewinnen. Ein Mann, der auf südamerikanischem Boden offensichtlich gut klar kommt, ist Caudron. Im Finale trifft er auf seinen Landsmann Merckx und es kommt zu einer 45-minütigen Billarddemonstration. Keine Zeit zum Blinzeln, sonst hast du Wesentliches verpasst. FC zeigt sich von seiner unglaublich guten besten Seite und gewinnt 40 - 16 in 9.   

2018 - Kairo. Es gab wieder das Szenario von 2015 mit zwei anderen Akteuren. Bury hätte den Titel fast gewonnen (40-36), aber Jaspers hatte noch die Ausgleichschance im Nachstoß.  Er "Blomdahl-te" mit tollen 4 und gewann das Shootout. Das war der vierte Weltmeistertitel für den Niederländer und möglicherweise der, der ihn am meisten erfreut hat.

Ein letztes Wort über das Leid, nicht zu gewinnen. Wenn du dir die Ergebnisse der Weltmeisterschaften ansiehst, wirst du sehen, dass selbst die Allergrößten in der jüngeren Geschichte des Dreibands mehr gelitten als gefeiert haben. Es tut höllisch weh, aber vielleicht merken sie an ihren guten Tagen, dass es gerade das ist, was sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Sie können, was wir nicht können. Nicht nur mit ihren Händen, sondern vor allem mit ihrem Kopf. Sie können das nicht trotz, sondern wegen dieses unerbittlichen, schmerzhaften Drucks,  den sie Jahr für Jahr ausgehalten haben. 

Du weißt doch, was die Natur erschafft, wenn sie schiebt und schiebt und drückt und presst?

Diamanten!  

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