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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Eine Dreibandpartie – eine Aufnahme - kaum mehr als eine Momentaufnahme

Gepostet von am 23. Januar 2019

Eine Dreibandpartie – eine Aufnahme - kaum mehr als eine Momentaufnahme

Kozoom

Kolumne von Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

Ich muss um Vergebung bitten: Dies wird die langweiligste Kolumne sein, die du von mir je gelesen hast, wenn du sie liest. Es geht um Wahrscheinlichkeit und zufällige Streuung.

Wenn dich die einleitenden Sätze nicht abgeschreckt haben und du weiterliest, sind wir uns im einem wohl ähnlich: unstillbar neugierig auf alles, was sich um Dreiband dreht. Um was es hier geht, das lässt eigentlich keinen von uns kalt: es geht um die Frage, warum wir alle im Dreiband eine gespaltene Persönlichkeiten haben – Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Der eine punktet sicher, der andere kommt mit Mühe zu seinen jämmerlichen Durchschnitten. 

Über lange Jahre war ich ungefähr ein 1.0 Spieler, aber einen Partiezettel, der so aussieht: 1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1, den habe ich nie zustande gebracht. Das sind 25 Punkte in 25 Aufnahmen. Es gibt auch von keinem anderen einen Spielbericht, in dem so eine Serie von Nichtserien jemals vorgekommen ist. Genau deshalb reden wir vom DURCHSCHNITT: Die Zusammenfassung all meiner Aufnahmen, der guten, der schlechten und der hässlichen, haben den 1.0 Spieler produziert, der ich war. Meine Partiezettel sahen eher so aus: 2-0-0-0-4-0-1-0-0-0-0-7-1-0-0-3-3-0-0-1- 0-0-0-2. Auch das sind 25 Punkte in 25 Aufnahmen.

Habe ich in da sechs Aufnahmen fantastisches Dreiband gespielt, vier Aufnahmen ganz brauchbare Qualität abgeliefert und in den restlichen fünfzehn grauenhaften Pfusch? Nein, es gibt Gründe, warum ich fünfzehn Fehlaufnahmen hatte, und es gibt Gründe, warum ich eine 4 und eine 7 gemacht habe. Aber: Qualität des Spiels als ein Grund spielt möglicherweise kaum eine Rolle: Ich kann schlecht gespielt haben, als ich die beiden kleinen Dreierserien gemacht habe, und bei den Fehlaufnahmen können auch ein paar Superstöße dabei gewesen sein. Ein und derselbe Spieler steht da während des gesamten Spiels am Tisch, und es macht doch nur Sinn, dass seine spielerische Qualität einigermaßen konstant bleibt, egal ob der Punkt gemacht oder ausgelassen wurde.

Was für mich gilt, gilt auch für einen Spieler mit 0.50 oder einen 2.00 Durchschnitt-Spieler. Unabhängig von ihrer Spielstärke werden sie in den einzelnen Aufnahmen fast immer deutlich über oder deutlich unter ihrem  Durchschnitt liegen. Diese zufällige Streuung um den Durchschnittswert  wird als "Zufallsvariation" bezeichnet, und Billardspieler verstehen leichter und besser als die meisten anderen Menschen, was damit gemeint ist, sie erleben es schließlich tagtäglich am Tisch in Aktion.   

Es ist nun wirklich intuitiv und leicht zu verstehen, dass eine Viererserie dich nicht zum Weltklassespieler macht und dass du nach dreimal Null auf dem Zettel nicht selber eine erbärmliche Null bist. Wir wissen, dass "Zufallsvariation" zu Ergebnissen führt, die kilometerweit von den tatsächlichen Fähigkeiten eines Spielers entfernt sein können. Solange es um "Aufnahmen" (Moment-„aufnahmen“) geht – kein Problem. Wir haben es verstanden.

Aber wenn aus Aufnahmen Partien werden, dann, ganz plötzlich haben wir „Zufallsvariation“ schon vergessen. Wir reden dummes Zeug, Sätze wie: "Wie kann er am Samstag 40 in 18 machen, und am Sonntag schafft er keine 0.8? Derselbe Spieler? Unfassbar!."

Nein, ist es nicht. Das ist völlig normal.   

Er gewinnt am Samstag mit 40 in 18. Er macht am Sonntag 18 in 24 und verliert. Das macht einen Durchschnitt von 1.380 für das Turnier. Na? Hast du´s? Das ist ein 1.4 Spieler! Genau so macht das ein 1.4 Spieler. 

"Aber hast du das zweite Spiel gesehen? Da hat er drei Kinderbälle ausgelassen!"

Nochmal: genau so macht das ein 1.4 Spieler. Wenn er das nie macht, wäre er ein 1.80 Spieler. Da ist nichts Ungewöhnliches passiert. Das einzig Verrückte daran ist, wie wir darauf reagieren. Spielt er zuerst 0.75 und dann die  2.20, dann sind wir voller Anerkennung. Er "hat sich enorm gesteigert", er ist „mental stark“. Hat er als erstes die 2.20 gebracht und dann 0.75 gespielt, dann reden wir ihn in Grund und Boden. "Mit Druck kann der nun überhaupt nicht umgehen."  

Ein einzelnes Match sagt im Grunde kaum mehr aus als eine Aufnahme. Lass uns zum Vergleich eine Münze werfen. Eine Maschine wirft die Münze, und wir zählen Wappen und Zahl. Zehnmal geworfen sagt noch gar nichts. Könnte 8:2 oder 1:9 sein. Was ist nach hundert Würfen? Nicht genug. Tausend? Die Wissenschaft sagt, dass wir rund 5000 Würfe mit der Münze brauchen, um ziemlich sicher zu sein, dass die Wappen und Zahl sehr nahe bei 2500 oder 50 Prozent liegen. Zufällige Variationen haben sich in einem Meer der großen Zahl fast aufgelöst. 

Auf´s  Billard angewendet: 100, auch 250 Aufnahmen sind zu wenig, um richtig einschätzen zu können, was ein Spieler wirklich kann ... oder ob er "in Form" ist. Was häufig auf „gute Form“ zurückgeführt wird, ist oft genug nicht mehr und nicht weniger als Zufallsvariation. Die Münze fällt viermal und jedes Mal: Zahl!  

Lass uns kurz zusammenfassen, was wir daraus mitnehmen können. Uns wird im Dreiband mal Glück und mal Pech serviert, und dann sehen unsere Ergebnisse besser oder schlechter aus, als wir tatsächlich gespielt haben. Wir reden hier noch nicht mal von den Glückstreffern, dem Fuchs, der Sau: nur davon, wie die Bälle nun mal gelaufen sind. Ball 1 klebt versteckt an der Bande: unmachbar! Sechs Zentimeter neben der Bande: unauslassbarer Ticky. Erstklassiger Stoß, Ball drei genau getroffen und: keine Stellung. Schwacher Abstoß, Ball drei gerade noch ganz dünn berührt: schöne offene Stellung. So kann das laufen, und die Folgen für die Partie sind enorm.  

Zurück zu unserem 1.4 Spieler mit seinen zwei Partien am Samstag und Sonntag. Die Zufallsvariation hat  ihn zum Beispiel eine 1.2er  und eine 1.8er Partie spielen lassen. Eine glückliche Fügung hier und da in der ersten Partie, eine paar unglückliche Kleinigkeiten in der zweiten und beide Partien hätten mit 1.40 geendet. Und wenn glückliche Fügung und unglückliche Kleinigkeiten in umgekehrter Reihenfolge bei Partie eins und zwei dazukommen, dann hat er vielleicht erst 0.75 und dann 2.20 erzielt. Gleicher Spieler, gleiches Wissen, gleiche Konzentration, gleiche Fähigkeiten. In vielen Fällen sogar: gleich gut gespielt!   

Wie denn? Alles nur Glück und Zufallsvariation? Spielen die Dreibandspieler nie schlecht, nie herausragend? Natürlich tun sie das. Du hast mal was Falsches gefrühstückt, dein Liebchen hat dich  in der Nacht beschimpft und war sauer, und schon war die Konzentrationsfähigkeit schwach. Oder du bist mit einem Lächeln aufgewacht, zufrieden die schöne Nacht beendet, fühlst dich energisch und konzentriert, da spielst du mutig, zuversichtlich und ohne Zweifel an dir und dem, was du kannst. Ja, Dreibandspieler haben gute und schlechte Tage.

Aber, woran es gelegen hat in einer Partie, das sagt dir kein Blick auf die Anzeigetafel. 

An der Tafel wird nur gezählt, am Tisch wird gespielt. 

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