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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Hast du das auch – den „Angstgegner“?

Gepostet von am 17. Oktober 2017

Hast du das auch – den „Angstgegner“?

kozoom

Vom niederländischen Journalist Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

 

 

Im Deutschen gibt es – vielleicht mehr als in anderen Sprachen – Wörter, die etwas Kompliziertes genau auf den Begriff bringen ...  so etwas Seltsames wie den „Angstgegner“, den Typ, den du niemals schlägst, auf den du nie wieder treffen wolltest, aber nein! da ist er schon wieder, der unselige Name, den die Auslosung dir auf den Hals geschickt hat.

Und immer ist es, als wüsstest du schon vor der Partie, was passieren wird. Es ist die Billardversion des „deja vu“-Erlebnisses, diese seltsamen Gefühls ... hier war ich doch schon mal, das kenne ich doch, das hab ich alles schon genau so gesehen, und du weißt, du wirst wieder geschlagen vom Brett gehen.

Aber damit ist die Definition noch nicht fertig. Ich könnte z.B. nicht sagen: Dany Sanchez ist mein Angstgegner. Das wäre Unsinn, denn Angst hat in den Spielen, die ich über die Jahre gegen Dany gespielt habe, nie eine Rolle gespielt. Er könnte mich schlagen mit dem Queue einen und einem Teller Tomatensuppe in der anderen Hand. Damit jemand ein echter Angstgegner geworden ist, muss er dich schon wesentlich öfter schlagen, als es nach euren jeweiligen Generalsdurchschnitten passieren dürfte. Dein Angstgegner ist allenfalls genauso stark wie du oder schwächer ... jedenfalls auf dem Papier vor der Partie.

Im Dreiband unserer Tage gibt es mindestens ein genau dokumentiertes Beispiel, was ein Angstgegner auch für einen sehr guten Spieler sein kann. Das hat rund vier Jahre gedauert. Der  bessere von den beiden Spielern war Jaspers in seinen frühen Jahren als BWA Profi. Sein Racheengel war Tonny Carlsen aus Dänemark. Klar, auch der ein hervorragender Spieler, der dreimal im Finale eines WeltCups war, aber sogar Tonny Carlsen hätte kein Problem, zuzugeben, dass er auch damals nicht so gut war wie Jaspers - nicht in diesen vier Jahren, weder davor, noch danach. Warum also hat er ihn immer wieder geschlagen in den Spielen, in denen es drauf ankam, in den WeltCups?

Das Losglück brachte sie 1992 zum ersten Mal zusammen. Denk daran, dass Jaspers in diesem Jahr Nummer 4 auf der Weltrangliste war und Carlsen gerade erst anfing, sich einen Namen zu machen.

WeltCup Oosterhout 1992, letzte 16:   Jaspers – Carlsen 0 : 3 (0,962 - 1,607)

Jaspers spielt klar unter seinem Niveau, Carlsen deutlich drüber – genau das geschieht, wenn du deinen Angstgegner vor der Nase hast.

WeltCup Palma 1992, letzte 16: Jaspers – Carlsen 2 : 3 (1,368 – 1,615)  

Wieder eine 1,6er Vorführung  von Carlsen; in Dicks Gedächtnis die frische Erinnerung an Oosterhout, da muss er wirklich angestoßen gewesen sein.

WeltCup Istanbul 1993, letzte 16: Jaspers - Carlsen 0 : 3 (0,833 – 1,406). 

Jaspers wird sich gefragt haben: „Warum kann ich gegen diesen Typ kein anständiges Spiel hinlegen, das ist der dritte WeltCup, aus er mich rausgekickt hat.“

WeltCup Ghent 1993, letzte 16: Jaspers - Carlsen 0 : 3 (1,239 – 1,212).

Diesmal war Carlsen nicht der überlegene Spieler; aber sieh dir die Sätze an: 14 - 15, 15 – 12, 14 – 15, 14 – 15. Das hat wehgetan, und du kannst diesen Typen noch nicht mal böse sein, denn Tonny Carlsen ist ein rundum angenehmer Zeitgenosse.

WeltCup Istanbul 1994, letzte 8: Jaspers - Carlsen 3 : 0 (3,124 – 1,000).

Genug ist genug, sagt Jaspers. Ein Serie von Frustrationen mündet in einen – jedenfalls in diesen Jahren - unerhörten Monsterdurchschnitt: 3,124!

WeltCup Oosterhout 1994, letzte 16: Jaspers - Carlsen 2 : 3   (1,240 – 1,248).

Der sture Däne lässt nicht locker.

WeltCup Ghent 1994, letzte 8: Jaspers - Carlsen 3 : 0   (2,250 – 0,944).

Jaspers schlägt zurück und zwar auf die einzige Weise, die für ihn zählt: exzellentes Dreiband spielen.

WeltCup Halle 1995, letzte 8: Jaspers  - Carlsen 2 : 3 (2,400 – 1,923).

Noch immer hat das Leiden kein Ende. 15 – 3,  9 – 15, 15 – 2, 11 – 15, 10 – 15.

Ende der Neunziger geschehen zwei Dinge: Jaspers wird stärker und stärker, sowohl technisch als auch mental, und der unselige Zufall, der den Dänen und den Holländer in der Auslosung immer wieder - mit beinahe komischer Beharrlichkeit - zusammenbringt, hat ein Ende. Die Angstpartnerschaft löst sich auf. Nur damit auch das nicht vergessen wird: die beiden waren über mehrere Jahre Mannschaftskameraden in der holländischen Liga, und ohne Zweifel haben sie jede Menge Respekt voreinander und kommen sehr gut miteinander zurecht.

Diese psychologischen Aspekte des Dreibands unterscheiden sich für uns  normale Spieler nicht von dem, was den Weltklasse Jungs passiert, aber - wie üblich -  können die mit dem Problem besser umgehen als wir, weil sie sich selber nicht so viel vormachen wie wir.

Wenn du gegen denselben Gegner immer wieder verlierst, der noch nicht einmal deutlich besser spielt, dann liegt das nicht daran, was ER dir antut, es ist etwas, was DU dir selber antust. Er hat keine mystischen Kräfte, er spart sich nicht alle Füchse auf, damit er sie in den Spielen gegen dich servieren kann. Der Mechanismus, der dich zum Verlierer macht, das ist die „self-fulfilling prophecy“, die sich selbst erfüllende Prophezeiung, die du im Kopf hat. Du „weißt“ vorher, dass du schwach spielen wirst und er alles Glück dieser Welt auf seiner Seite hat.  O Wunder, was passiert: du hattest recht, denn du willst ja recht haben, das war dir wichtiger als zu gewinnen. Dein Wunsch geht in Erfüllung, Vorhersage richtig, Job erledigt, Partie verloren.

Wie kommt man aus so einem Denkmuster heraus? Ignoriere deinen Gegner für eine Weile, tu so, als ob er überhaupt nicht dabei wäre. Warte bis du dran bist und erinnere dich an diese eine Dreibandweisheit: wer da auf dem Stuhl des Gegners sitzt, Eddy Merckx oder meine Lieblingsoma, spielt keine Rolle.  Jetzt ist das mein Tisch.

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