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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Schlüsselspiele, die Dreiband verändert haben (2/3)

Gepostet von am 26. September 2018

Schlüsselspiele, die Dreiband verändert haben (2/3)

Kozoom

Kolumne von Bert van Manen

Übersetzung von Andreas Volbracht

Über 100.000 mal in der Kozoom Videothek aufgerufen: das Halbfinale bei der Europameisterschaft 2013 in Brandenburg. Zanetti und Caudron wussten, dass es eigentlich das Finale war, weil der Sieger auf den Gewinner der Partie Christian Rudolph gegen Glen Hofman treffen würde. Ohne Frage ausgezeichnete Spieler, aber wer hätte da nicht hoch gewettet, dass am Ende einer aus Italien oder aus Belgien oben auf dem Treppchen steht.

Es fängt ganz schmucklos an. Ein einziger Punkt für Marco mit dem Anfangsball, ganze zwei für Fred. Dann zwei für Marco, einer für Fred, zwei für Marco, null für Fred. Bei 5: 3 nach drei Aufnahmen konnte niemand in der Halle ahnen, dass die beiden hier und heute Dreibandgeschichte schreiben würden. Dann zieht der Italiener mit Serien von sieben und drei davon und baut seine Führung auf ansehnliche 15-3 aus. In der sechsten Aufnahme geschieht etwas Erstaunliches. Fred ist am Tisch und er weigert sich einfach, irgendeinen Punkt auszulassen. Fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig. OK, beim achten war ein bisschen Glück im Spiel, aber auch ohne den Minikonter wäre der gekommen. Vierzig Sekunden Zeit vom Ruhen der Bälle bis zum Abstoß, aber Fred braucht durchschnittlich deutlich weniger als zwanzig zum Überlegen. Jeder Punkt sieht wie selbstverständlich aus. Das ist genau die Art zu spielen, wie sie nur Caudron beherrscht, scheinbar mühelos sicher, schmucklos elegant und selbst das Artistische wirkt dann, als sei es lächerlich einfach. Jeder, der das Vergnügen hatte, Caudron hautnah so zu erleben, ist ein Glückspilz.

Die Serie ist bei 24 angekommen, und da ändert sich etwas. Fred wird offensichtlich klar, dass der Weltrekord, zu dieser Zeit von drei Spielern - Komori, Ceulemans und Forthomme – gehalten, die 28er Serie, in greifbarer Nähe liegt, dass er ihn brechen könnte. Er wird bei zwei Drittelbällen, die etwas problematischer sind, langsamer, aber er macht sie. Dann ein unkomplizierter LKL-Vorbänder, etwas zögerlich abgestoßen, auch gemacht. Der 28ste, für die Einstellung des Weltrekords, ist wieder heikel: Ball 2 dicht an der Bande, dünn zu treffen, über die Hand mit viel Rechtseffet. Da ist nichts mehr leicht, kein Rhythmus mehr, die Spannung knistert in der Luft, Punkt für Punkt ein Balanceakt auf dem Hochseil.

Fred hätte den 28sten nicht besser treffen können: er hat jetzt eine offene Stellung für den 29sten, lang-kurz-lang und nichts dabei, was den Stoß schwierig macht. Den kann er mit einem Besenstiel verwandeln, im Schlaf, eine Hand auf den Rücken gebunden. 

Und er lässt ihn aus. 

In einem Interview danach bekennt er unumwunden: "Ich hab´ den Druck gespürt. Fünfzehn Minuten lang habe ich nur Billard gespielt, fühlte mich vollständig wohl. Dann - wie aus dem Nichts - wiegt das Queue plötzlich fünf Kilo in meiner Hand." 

Als ob die Einstellung des Weltrekords nicht genug wäre, gibt es in diesem Spiel noch ein weiteres Kapitel, genauso erstaunlich wie das erste. Marco macht eins, zwei und drei, knabbert an seinem Rückstand. Es steht 21-34, als der Italiener wirklich zuschlägt: eine 13er Serie. Natürlich gab es einen Zwischenfall; wie sollte es ohne Zwischenfall ablaufen? Da spielt nicht irgendwer. Da ist Marco im Spiel. Am Anfang seiner Serie funktioniert die Uhr nicht richtig. Der Schiedsrichter sagt zu Zanetti, dass jetzt ohne Uhr gespielt wird. Der witzelt sogar laut: "Also kann ich jetzt fünf Minuten brauchen?" Dann, bei seinem achten Punkt, ertönt plötzlich der Signalton. Marco protestiert, wer hätte das nicht? Der Schreiber sagt: "Ich habe dir gesagt, dass die Uhr wieder funktioniert." „Nein, hast du nicht ", antwortet Zanetti.  

Ich habe die Aufzeichnung Band mehrmals angesehen, und zu keinem Zeitpunkt hat irgendetwas darauf hingedeutet, dass Zanetti hätte wissen müssen, die Uhr läuft wieder. Die Aufregung beim Italiener ist meines Erachtens völlig verständlich. Ob du´s glaubst oder nicht, es ist Caudron, der das "Ja, hab ich/ nein, haben Sie nicht"-Patt auflöst. Er sagt dem Schiedsrichter, dass auch er keine Ahnung hatte, dass die Uhr wieder an war, und es sei daher richtig, dass Marco weiterspielt. Was für ein tolles Verhalten er da zeigt! Die vielen überbezahlten, verlogenen Betrüger unter den Fußballspielern auf der Welt sollten sich Dreiband anschauen und sehen, wie man sich in UNSEREM Sport auf dem allerhöchsten Niveau verhält.  

Nach Zanettis 13 steht es 34-34. Caudron macht zwei, Zanetti eins, Caudron eins. Der Belgier, nach seiner Weltrekordserie ohne Zweifel erschöpft, spielt einen schwachen Ball, weil er sich nicht klar für den 3- oder den 5-Bänder entscheidet. Was uns täglich passiert, passiert ihm jetzt auch: Er landet genau dazwischen. Zanetti macht die fünf unter Hochdruck und gewinnt, da ohne Nachstoß  gespielt wird.  

Brandenburg 2013

Allein, dass es ein Halbfinale von außergewöhnlicher Qualität ist, macht das Match nicht zum historischen Ereignis. Es gibt eine Reihe von anderen Partien mit höheren Einzeldurchschnitten oder einem zusammengefassten Durchschnitt der beiden Spieler in den Dreibandannalen. Wir müssen uns das Gesamtbild anschauen, um zu erkennen, warum es eines der größten Matches aller Zeiten war.

- Es war faktisch das entscheidende Spiel in einer internationalen Meisterschaft.

- Der Verlierer hat einen höheren Durchschnitt als der Sieger gespielt!

- Der Weltrekord wurde eingestellt.    

Selbst diese 3 Punkte sind nur zusätzliche Extras. Den wichtigsten Grund, warum ich dieses Spiel für so bahnbrechend halte, sehe ich in Folgendem: Dreiband war von da an ein Sport, bei dem einer in einem Match bis 40 eine 28er Serie spielen kann und NICHT SICHER ist, das Ding nach Hause zu bringen. Ab jetzt war Dreiband eine Sportart, bei der zwei Fehler einen europäischen Titel kosten können. Ceulemans wird ohne weiteres einräumen, dass man zu seiner Zeit in einer Partie bis 50 zwölf oder fünfzehn Fehler machen und trotzdem gewinnen konnte. Blomdahl hat viele Weltcups gewonnen, weil er 2.000 spielte und seine Gegner die 1.500 als Obergrenze hatten. Wir als Fans wussten oft genug, wer gewinnen würde. Das ist seit Brandenburg 2013 zu Ende. Kein Dreibandspieler kann sich in einem Finale um einen großen Titel in Sicherheit wiegen, bevor der letzte Punkt gemacht ist - egal wie groß sein Vorsprung ist. Das macht die besondere Bedeutung dieses Spiels aus.  

In den Minuten nach dem Spiel findest du in Zanettis Gesicht keinen freudigen Ausdruck. Eher scheint er den Tränen nahe. War es so aufwühlend, weil er 40 in 12 Aufnahmen gemacht hatte? Absolut nicht. Das hat er schon vorher gemacht, und besser noch. Seine Leistung bestand zu weniger als zur Hälfte darin, die 40 Punkte am Tisch zu machen. Er musste auf seinem Stuhl sitzen und zusehen, wie der talentierteste Billardspieler der Welt eine Weltrekordserie von 28 Punkten macht, und er musste dabei weiter selber in seinem einsamen Kopf denken und glauben, dass er noch gewinnen könnte. Keiner von uns weiß, wie schwer das war, denn keiner von uns hat das jemals getan ... oder etwas, das auch nur vergleichbar wäre.


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Kommentare

Okicarambo
Okicarambo
Danke Bert!
Das ist sehr inspirierend, wie Du ein Dreibandmatch beschreiben kannst. Das Video von diesem Spiel haben die meisten wahrscheinlich gesehen. Aber mit Deiner Beschreibung kommt es einem so vor, als hätte man selbst nicht richtig hingesehen. Ich muss mir das Video jetzt auf jeden Fall noch einmal anschauen. Danke auch dafür, dass Du die etwas unklare Situation mit der abgelaufenen Uhr erläutert hast. Das war so dem Video nicht ohne Weiteres zu entnehmen.

Freue mich schon auf Teil 3 Deiner Trilogie ;-)

Message 1/1 - Veröffentlichen in 26. September 2018 16:03

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