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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Braucht Caudron einen Trainer?

Gepostet von am 19. November 2018

Braucht Caudron einen Trainer?

Kozoom

Kolumne von Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

© Kozoom

Einfache  Frage - einfache Antwort: Nein. Er ist die Nummer Eins auf der Welt, und er hat in den letzten zehn Jahren mehr große Turniere gewonnen als irgendein anderer. Was er da macht, macht er ziemlich gut, oder etwa nicht?

Auf dieselbe Frage gibt es auch eine etwas längere und kompliziertere Antwort, und die beginnt mit: Vielleicht ... Aber zuerst wollen wir anschauen, wie es zur Zeit in der Dreibandwelt aussieht. Nicht ein einziger Spitzenspieler hat einen eigenen Trainer. So war es, so ist es, also finden wir das normal, das ist es aber nicht. Die Spitzentennisspieler, die Golfer, Skifahrer, Skater, Boxer, Turner haben eigene Trainer. Der Grund, warum Dreiband-Profis keine Trainer haben, ist offensichtlich: Sie haben nie genug Geld verdient, um sich einen leisten zu können.

Der zweite, tiefer versteckte Grund: einen Trainer zu haben, war nie selbstverständlicher Teil der Kultur unseres Sports. Viele Spieler fürchten, sie würden als "mentale Schwächlinge" zu gelten, wenn sie zugäben, dass sie gecoacht werden. Die Dreibandwelt ist noch "Machodomäne". Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass es kaum einen schwulen Dreibandspieler gibt, der sich zu seiner sexuellen Orientierung offen bekennt? Ich denke, wir sind da schlimmer als die Fußballer. Und wenn einer davon spricht, was die „Sportpsychologie“ erreichen kann, wird er in aller Regel Spott und Sarkasmus einfangen. Unser Sport ist in dieser Beziehung altmodisch und ein bisschen dumm. Wir müssen uns allmählich mit dem Rest der Welt ins 21. Jahrhundert bewegen und aufhören, um jeden Preis den Eindruck zu erzeugen, wir wären die MÄNNER, die NEIN! nie bei irgendetwas Hilfe brauchen.  

Mit "Caudron" meine ich grundsätzlich alle Dreibandprofis. Die meisten von ihnen waren über  10, 20 oder 30 Jahre ihr eigener Trainer. Coaching ist nicht etwas, das im Dreiband nicht vorkommt oder nicht praktiziert wird – nur, hier haben die Spieler es einfach selbst gemacht. Dennoch bleiben Spieler und Trainer zwei Paar Schuhe: ein guter Spieler ist nicht immer auch ein guter Trainer. Die es nach ganz oben geschafft und sich dort jahrelang behauptet haben, waren offensichtlich für beide Jobs talentiert. Jeder kennt die Namen: Zanetti, Blomdahl, Jaspers, Sánchez, Caudron, Merckx und einige andere mehr. Es hat auch Spieler mit enormem Talent gegeben, die als ihr eigener Coach völlig unfähig waren; und deren Karrieren haben darunter erheblich gelitten. Wenn du Lust hast, trag´ selbst ein paar Namen ein: ...... , ....., ......., ............ Wahrscheinlich wird diese zweite Liste länger als die erste. 

Was könnte ein Trainer eigentlich für Caudron tun? Seine Technik ist perfekt, er weiß alles über das Spiel, seine taktischen Entscheidungen sind auf den Punkt genau und richtig. Wenn wir uns die Frage stellen, sollten wir zuerst über das hier nachdenken: Ronnie O'Sullivan, allgemein als das weltweit größte Naturtalent aller Zeiten im Billard betrachtet, hat vor kurzem angekündigt, dass er mit dem SightRight-Team arbeiten wird, einer Traineragentur, die die Erfolgsgeschichte von Mark Williams auf wundersame Weise wieder zum Leben erweckt hat. Der Bewegungsexperte Steve Feeney wird O'Sullivan bei seiner Technik beim Ausrichten und Zielen helfen, und der Sportpsychologe Steve Peters wird mit ihm die mentalen Aspekte des Spiels bearbeiten.  

Wenn ein Genie wie Ronnie O'Sullivan - mit mehreren Millionen Pfund Preisgeld in seiner Erfolgsbilanz - demütig genug ist, zuzugeben, dass externe Experten dazu beitragen können, dass er sich verbessern kann, warum sollten dann Dreibandspieler auf so etwas verzichten? Nicht alle benötigen die gleiche Art von Hilfe. Coaching hat viele Gesichter, und Schwachstellen hat jeder. Spieler könnten mit Hilfe eines Spezialisten an ihrem Stand, ihrer Queueführung arbeiten. Anderen könnte die taktische Analyse von außen helfen, oder sie würden die richtige Balance zwischen Angriff und Verteidigung finden, um am Tisch bessere Entscheidungen zu treffen. Und schließlich, aber vor allem, können Spieler lernen, besser mit Stress, Nerven, Überkonzentration, Versagensangst und Wettbewerbsdruck im Spiel umzugehen... und lernen, wie man in einem engen Match die Ziellinie überquert, anstatt knapp davor zu verröcheln.

Bevor Sie diese Schritte gehen können, müssen Sie sich allerdings eingestehen, dass diese Fähigkeiten nicht schon in Ihrer DNA sicher verankert sind, sondern dass sie gelernt werden können – geistige Muckis, antrainierbar. Wieder steht die Dreiband-Machokultur hier im Weg. Wir neigen dazu, Spielern Stempel aufzudrücken "mental stark“ oder „mental schwach", die sie dann ein für alle Mal tragen. Manchmal stimmt es: Einige Spieler machen wieder und wieder, Jahr für Jahr die gleichen mentalen Fehler. Aber manchmal ist es nicht wahr, ungerecht und gemein: Es gibt Spieler, die werden reifer. Aber nach jeder Partie, die sie knapp verlieren, heißt es: „Dieser Loser kann nicht gewinnen.“ Ein Trainer kann den Prozess, mentale Stärke zu entwickeln, unterstützen. Er kann helfen, das Loser-label abzulegen und zu gewinnen.   

Heute gibt es mehr Geld im Dreiband als je zuvor. Du kannst zwar einem alten Hund keine jungen Tricks beibringen, und ich meine auch nicht, dass die 50-plus-Champions von heute einen Bewegungscoach bemühen sollten, um Dreiband für sich neu zu erfinden. Das wird nicht passieren. Aber die neue Generation von Topspielern wäre verrückt, wenn sie - wie TB und MZ es tun mussten -versuchen würden, das Rad neu zu erfinden. Sie wären klug, wenn sie dem Beispiel von Ronnie O'Sullivan folgten und nach Expertenwissen suchen, wo es verfügbar ist. Spanien ist da vorbildlich mit seiner Billard-Akademie. Ich habe kürzlich eine Partie von David Martinez gesehen und war schwer beeindruckt, vor allem von seiner Dessinwahl, seinen taktischen Entscheidungen. Es war sofort klar, dass ihm in seiner Entwicklung geholfen worden ist, dass er auf seinem Weg beobachtet und unterstützt  wurde.

Das Rezept für die nationalen Verbände ist ganz einfach: Nutzt das Wissen und die Erfahrung eurer ehemaligen Spitzenspieler: Quetglas in Spanien, Burgman in den Niederlanden, Kühl in Deutschland, Stroobants in Belgien, um nur einige zu nennen, die bewiesen haben, dass sie unterrichten können. Bereitet eure jungen Talente gut vor auf den schweren Gang in die Arena, in der sie bestehen wollen, die Qualifikationsrunden für die WeltCups sind eine harte Schule. Und bevor sie überhaupt so weit sind: Vermittelt ihnen eine solide Grundlage für ihr Spiel; da muss alles stimmen. Vor dreißig Jahren gab es diese Autodidakten als Spieler mit einer "individuellen" Technik, einem eigentümlichen Stoß, ungewöhnlichem Stand. Keiner von denen würde heute einen WeltCup gewinnen. Vor dreißig Jahren gab es den selbstbewussten, hart-saufenden Partychampion, der sich und den anderen weismachen konnte, dass er nach drei Stunden Schlaf mit einem Kater immer noch super spielen könnte. Das war schon damals nicht wahr und ist es heute erst recht nicht.   

Du willst 2019 im internationalen Dreiband oben mitspielen? Du willst dich mit Myung Woo Cho messen können? Dazwischen liegen viele, viele Übungsstunden am Tisch und ganz, ganz wenige am Tresen mit Tequila. Wenn du jung bist und Talent hast, dann mach´ dich auf den Weg und suche und finde einen Trainer.

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Kommentare

Markus
Markus
Trainer oder eher Betreuer/Berater
Meine Lieblingskolumne und mein Lieblingsthema!

Die Frage im Titel kann nur Caudron selbst beantworten und offensichtlich hat er das auch getan, denn sonst hätte er jemanden, den er dann allerdings auch bezahlen müsste. Darin liegt wohl das Hauptproblem, sich überhaupt damit zu befassen.

Die Bezeichnung Trainer verbinden wir häufig mit dem trainieren sportartspezifischer Handlungen, also Dessinwahl, Stoßtechnik, Offensive-Defensive etc. Im Wettlampf ist das aber nur die halbe Wahrheit. Billard ist sicher eine der Sportarten, die psychisch enorm anspruchsvoll ist. Das Ganze dann über mehrere Tage, in denen man irgendwo in der Welt versucht, die nötige Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. Das kann man dauerhaft nur schwer ganz ohne Hilfe bewältigen.

Und genau darin steckt auch der Mehrwert, den ein Trainer oder besser Betreuer haben kann. Dazu muß er nicht mal unbedingt selbst ein guter Spieler sein. Er muß aber wissen, wovon er redet und über psychologische Qualitäten verfügen. So jemanden zu finden ist schwer und zumindest in Deutschland im Moment nicht vorstellbar.

Bert spricht von einer Dreiband-Machokultur und da stimme ich voll und ganz zu. Wenn man dies überwinden will, kostet das zuallererst Geld, bevor der Nutzen erkennbar wird. Dazu sind nur ganz wenige Spieler und Verbände bereit. Ich bin sicher, dass es sich lohnen würde.

Christian Rudolph und Jürgen Kühl wäre ein Gespann, dass unendlich viel für das Deutsche Billard tun könnten.

Markus Schönhoff

Message 1/2 - Veröffentlichen in 19. November 2018 18:28

Steffen
Steffen
Hmm!
Ganz ehrlich? Bevor man darüber nachdenkt, ob Caudron oder Jaspers einen Trainer brauchen, sollten wir darüber nachdenken, wie wir jedem Kind oder Jugendlichen, das auch nur das entfernteste Interesse an unserem Sport zeigt, einen Trainer/Betreuer zur Seite stellen können. Welche Knöpfe müssen wir drücken, welche Mechanismen installieren, damit unser Sport für Kinder wieder interssant wird?

Und dann, nur wenn wir eine gewisse Masse erreichen, dann können wir nachdenken, ob ein Spitzenspieler einen Trainer braucht, bzw. ihm helfen einen zu finden!
Es gibt ein paar Parallelen, bei denen Trainer, die kaum das Queue halten konnten Markus und mich mit Ihren Weisheiten dennoch erreichten! Wir profitieren heute noch von ihrem Einfluss! "Jede Aufnahme ist wichtig!" Oder:"Eins bei drei im guuuuten Winkel!" Das kommt uns bisweilen bei unseren Spielen in den Sinn, obwohl der "Autor" kaum selbst das Spiel betreiben konnte! Aber wir sind längst über dieses Niveau hinaus!

Und da haben wir des Pudels Kern! Fast jede der genannten Größen hat "seinen" Trainer irgendwann im Leistungsniveau überholt. Das ist ganz natürlich. Kein Speerwurftrainer wirft das Teil auf 90 m, kein Rodeltrainer hastet die Bahn in Rekordzeit hinunter. Kein Sprungtrainer hechtet sich mit den Skiern 250 m den Berg hinab!

Aber wenn jemand einen Billardtrainer sucht, dann muss der besser spielen, als man selbst! Er muss zeigen können, was er meint!! Nicht der Sportler muss sich beweisen, sondern der Trainer!

Gleichzeitig widerstrebt es mir als Trainer, individuelle Eigenheiten meiner Spieler "abzuschleifen", wie im Beitrag suggeriert. Es gibt keine einheitliche Technik und selbst Spitzenspieler haben ihre individuellen Eigenheiten. Schaut Euch die Queuehaltung von Dick an, sie ist leicht nach innen verdreht, die von Zanetti stark nach aussen! Kaum einer ist mit den Augen mittig über dem Queue. Jeder hat seine ihm eigene individuelle Technik! Jedoch ist wichtig dass, das Stoßsystem stimmt, dass man mit dieser individuellen Technik stossen und treffen kann! Würden Jaspers oder Zanetti besser werden, wenn ein Trainer käme, der ihnen diese Eigenheiten abgewöhnen wollte? Schwer vorstellbar!

Und was ist mit den Erfahrungen, wie verhalte ich mich in welcher Situation? Gibt es einen Trainer, der mehr Erfahrung hat in engen Situationen, als Jaspers, Zanetti, oder Caudron? Der ihnen raten könnte?

Meine feste Überzeugung ist, dass wir uns konzentrieren müssen, Talente an dieses hohe Niveau heranzuführen. Dass wir ihnen Betreuer zur Seite stellen müssen, die ihre Talente erkennen und fördern und ihre Individualität respektieren und belassen. Solange bis sie ein Niveau erreichen, an dem sie nur noch selbst für sich verantwortlich sein können, selbst Entwicklungen erkennen und erspüren können und sich danach richten. Dann können wir als Trainer nur noch die Hand im Rücken sein, die stützt und bestätigt!

Falls jemand in diesem Beitrag Antwort sucht, ob Caudron einen Trainer braucht, muss ich ihn leider enttäuschen. Ich glaube nicht! Aber ich kanns nicht beweisen.

Was ich aber ganz sicher weiss, ist dass unser Nachwuchs gute Trainer braucht, einfach um so weit zu kommen, dass sie keinen Trainer mehr brauchen?

Message 2/2 - Veröffentlichen in 21. November 2018 22:17

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