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Das Wunder von Leicester City ... vergiss es! Jetzt haben wir Ludo Kools.

Gepostet von am 3. Mai 2021

Das Wunder von Leicester City ... vergiss es! Jetzt haben wir  Ludo Kools.

Kozoom

Kolumne von Bert VAN MANEN am 1. Mai 2021

Übersetzt von Andreas Volbracht

Wer nicht aus Holland oder Belgien kommt, hat bis vor einer Woche noch nie was von einem Ludo Kools gehört. Den gibt´s nun, und ganz neu; sein Leben hat sich am 29. April für immer verändert. Da gewinnt er die holländische Meisterschaft, „The Masters“. Die Lichtgestalten des holländischen Dreibands Burgman, Jaspers und van Erp werden Zweiter und geteilte Dritte. OK, der Austragungsmodus hat die Kleinen gegenüber den Favoriten etwas begünstigt (Sätze auf 10, 30 Sekunden Zeitlimit, keine timeouts). Und richtig: seine Gegner haben unter ihrem normalen, hohen Niveau agiert. Aber das mindert in keiner Weise, was Kools in der KO-Runde gezeigt hat: mentale Spannung, Ideen, Mut und viel mehr Wissen über das Spiel als man ihm zugetraut hat; mit dem 30-Sekundendruck ist er mindestens so gut wie die Profis klargekommen. Seine größte Stärke? Macht den Punkt, auch wenn die Bälle schlechter stehen als miserabel. Steigerungsfähig? Sein Positionsspiel.   

Die anderen Spieler waren genauso überrascht wie die Experten, aber das Erstaunen über den späteren Sieger sollte nicht als "Respektlosigkeit" verstanden werden. Im Gegenteil. Wenn immer wieder betont wurde, wie extrem gering seine Gewinnchancen waren, ist das doch eher als umso größere Anerkennung für seine Leistung zu verstehen.

Geringe Chancen – aber WIE gering waren die? Schwierige Frage! Wenn es doch nur die kleine Maschine gäbe, die berechnen kann, wie hoch die Gewinnchance sind für Spieler A mit Spielstärke X gegen Spieler B mit Spielstärke Y, wenn auf die Distanz Q gespielt wird? Doch, das Maschinchen gibt´s: als kleine Software auf meinem PC, und die beantwortet genau diese Fragen.  

In der Gruppenphase gibt es allerdings keine von der Software generierte, 100%ige Antwort auf die Frage nach den Chancen eines Spielers, in die nächste Runde aufzusteigen. Das hängt in der Gruppenphase zu sehr vom Ergebnis der Spiele ab, an denen unser Spieler A überhaupt nicht unmittelbar beteiligt ist. Da kannst du dich in der einen Gruppe mit einem Sieg und zwei Niederlagen qualifizieren, wenn der Punktestand in der Tabelle am Ende 6-2-2-2 zeigt, und du kannst NICHT weiterkommen in einer Gruppe mit dem Punktestand 4-4-4-0, obwohl du zweimal gewonnen hast und nur eine Niederlage hinnehmen musstest. Ein Freund von mir kennt sich mit ein Statistik- und Wettquoten richtig gut aus, der kommt zu dem Ergebnis, das meine Software nicht hergibt: wenn man für Kools und die anderen drei in seiner Gruppe von den bisherigen Durchschnitten ausgeht, lag seine Chance, die KO Runde zu erreichen, bestenfalls bei 2%. Eins zu fünfzig. Man muss bedenken, dass in der Regel  ZWEI Siege nötig sind, um sich zu qualifizieren. Der "Beul von Berlicum" nahm den kürzesten Weg: Er schlug sicherheitshalber einfach die beiden stärksten Gegner in seiner Gruppe.

Für die Berechnungen von Kools Chancen habe ich seinen Saisondurchschnitt in der niederländischen Liga verwendet. Er hat zwar einen exzellenten Grand Prix in Rosmalen gespielt (was ihn ins Masters gebracht hat), aber nach meiner Erfahrung ergibt ein Liga-GD, der über viele Monate und an vielen verschiedenen Tischen erspielt worden ist, ein ehrlicheres Bild als ein Glanzergebnis aus einem einzelne Wochenendturnier.

In der Saison 2019-2020 machte Ludo 439 Punkte in 507 Aufnahmen, das entspricht einem GD von 0,865 entspricht. Die Lernerfahrung unter Hochdruck in der Masters Woche wird sein Niveau garantiert auf deutlich über 0,900 oder vielleicht sogar 1.000 steigern. Er hat im Masters 204 P. in 200 An. gemacht, das ist schon ein deutlicher Hinweis, wohin die Reise gehen sollte.

Für die Berechnungen in meinem fiktiven Wettbüro habe ich Kay de Zwart auf 1.100 und Dave Christiani und Barry van Beers auf je 1.400 (oder besser) gesetzt. Barry hatte ein schlechtes Jahr, Dave ein brillantes. Ich denke, mit 1.400 ist ihr Vorteil gegenüber Ludo Kools`  0,865 korrekt abgebildet. Wenn einer meint, Christiani`s außergewöhnliche 1.800 in der holländischen Liga sei die richtige Zahl, die ich hätte verwenden sollen, kann ich das auch verstehen. Am Ergebnis würde es wenig ändern, außer:  NOCH niedrigere Gewinnchancen für Kools.  

Schauen wir uns die KO-Phase genauer an. Die "Distanz" dieser Spiele war, vergiss das nicht, 10 Punkte. Sätze, das ist doch einfach eine Reihe kurzer Partien, oder was sonst? Gegen van Beers hatte Kools eine 22,90%ige Chance, eine Partie bis 10 zu gewinnen und eine 8,26%ige, drei Sätze zu gewinnen. Gegen van Erp (1.500) hatte Kools eine 19,99%ige Chance, einen Satz zu gewinnen, und eine 5,78%ige, drei Sätze zu gewinnen. Gegen Burgman hatte Kools eine Chance von 24,54%, einen Satz zu gewinnen, und eine Chance von 9,87%, mit drei gewonnenen an der Tafel zu stehen. (Ich habe Burgman auf 1.350 gesetzt; ich weiß, früher war er immer gut für 1.500. Raimond spielt immer noch beeindruckend und ist taktisch ein Meister, aber sein Durchschnitt ist etwas ins Rutschen gekommen.)

Was bedeuten diese Zahlen, wenn wir sie im Zusammenhang betrachten? Sie geben Kools Chance auf den Titel wieder: 8,26% x 5,78% x 9,87% = 0,047%, das ist weniger als ein Zwanzigstel von 1%! (Übersetzt für alle, die mit den Dezimalstellen auf Kriegsfuß stehen.) Andersgesagt: als die KO Phase eingeläutet wurde, war seine Chance auf den Titel 1 zu 2120. Aber wie war die Quote, wenn man die Chance, überhaupt zum KO vorzudringen einbezieht? Dann war das 1 zu 2120 x 50 = eine Chance von 1 zu 106.000. 

In meinem Fernsehkommentar habe ich an die sensationelle Premier League-Meisterschaft von Leicester City erinnert. Wenn du damals zu Beginn der Saison ein Pfund auf Leicester City gesetzt hattest, durften die Buchmacher dir am Ende der Saison 5000 Pfund auszahlen. Die Quote in unserem  Billardwunder, dem unglaublichen Kools-Märchen, ist ungefähr zwanzigmal so hoch wie die im Fall von Leicester. Lass uns nicht über dritte oder zweite Stelle hinter dem Komma bei den GD´s dieser Spieler streiten; einige Leute werden das Gefühl haben, dass sie die anders eingeschätzt hätten. Sei´s drum. Wesentlich wird das an den Quoten nichts ändern. Die waren fast astronomisch und in unserem Sport unbekannt. (Wenn wir dem Buchmacher und dem Staat 50% vom Gewinn gönnen, hätten bei der Wette auf einen Kools Sieg trotzdem 20€ gereicht, um eine Million € zu gewinnen.)  

Habe ich eine umfassende und solide Erklärung für das „Wunder von Berlicum“? Nein.

Habe ich wenigstens eine Idee, welcher Faktor aus meiner Sicht bei Kools sensationellen Siegen an den letzten beiden Tagen eine entscheidende Rolle spielte? Ja.

Diese erfahrenen Hochkaräter, die er geschlagen hatte, haben die Fassung verloren. Sie waren verwirrt. In dem ungewohnten Austragungsmodus  gerieten Teile ihrer gewohnten Denkprozesse durcheinander oder gingen verloren. Sie fühlten sich – gerade als klare große Favoriten - unter enormem Druck zu gewinnen. Diese beiden Faktoren zusammen haben ihr Vertrauen in ihr gewohntes taktisches Spiel durcheinander gebracht. Wann angreifen, wann verteidigen? Das ist nicht dasselbe wie "einen Gegner unterschätzen". Ich bin sicher, dass sie das nicht getan haben. Aber, wenn es um die beste Entscheidung in einer kritischen Lage ging, haben sie sich nicht nur einmal für die falsche entschieden.  

Kools dagegen hatte einen großen psychologischen Vorteil. Er hatte nichts zu verlieren.

Hier noch ein kleines Ranking bekannter Billard "Wunder":

5. Wunder:  Riujji Umeda gewinnt 2007 den WM-Titel in einem Feld, in dem auch Blomdahl, Merckx, Caudron, Sánchez, Zanetti und Jaspers vertreten waren. 

4. Wunder:  Avelino Rico wird 1986 Weltmeister, setzt  sich mit einer 15er Schlussserie gegen Ceulemans im Halbfinale durch und besiegt Blomdahl im Finale.

3. Wunder: Caudron stellt den Weltrekord von 28 in einem Match bis 40 gegen Zanetti ein und gewinnt das Match NICHT.

2. Wunder: Caudron hängt in einem Match bis 50 gegen einen knallhart aufspielenden Jaspers 7-44 ZURÜCK und gewinnt 50-47.

1. Letztes und größtes Wunder - mit meilenweitem Vorsprung: Ludo Kools. 

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