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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Hier schlägt das Herz von Österreichs Billard

Gepostet von am 17. April 2018

Hier schlägt das Herz von Österreichs Billard

Kozoom

Kolumne von Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

 

Gerhard Kostistansky, Arnim Kahofer und Andreas Efler sind die drei Topspieler in Österreich, und das schon seit geraumer Zeit. Aber fragt man dort jemand nach Billard, dann gibt es nur einen Namen, der als erster genannt wird: Heinrich Weingartner. In Wien und fast überall in Österreich bedeuten Billard und Weingartner so gut wie dasselbe.

Der große alte Herr (geb. 1939) ist viel mehr als ein ehemaliger Topspieler. OK, in den sechziger und siebziger Jahren hat er eine ganze Reihe von nationalen Titeln im Cadre, in der Freien, in Einband und selbst in Artistique gewonnen. Aber die letzten Jahrzehnte, in denen er nicht mehr aktiv gespielt hat, waren alles andere als unproduktiv. Wenn man das aufzählt, ist es schon umwerfend:

- Weingartner führt einen großen Laden mit Billard-Artikeln (seit 1964)

- ein Unternehmen für Produktion und Wartung von Billardtischen

- ein Billard-Schule

- ein Billardsalon im Stil eines typischen Wiener Kaffeehauses

- er gibt ein Billard-Magazin heraus,

- war Präsident und ist jetzt Ehrenmitglied im Vorstand des österreichischen Billard Verbands  BSVÖ, 

- in Zusammenarbeit mit dem bedeutenden deutschen Billard-Historiker Dieter Haase hat er die maßgebende "Enzyklopädie des Billardsports" herausgebracht.

- Er hat um die 30 Billard-Vereine gegründet, überwiegend in Wien, aber auch in anderen Regionen Österreichs,

- und zu guter Letzt besitzt und verwaltet er (seit 1992) das weltweit führende Billard Museum, wo er seine Privatsammlung ausstellt.

Heinrich Weingartner: Spieler, Sammler, Verleger, Lehrer

Meine erste Station in Wien ist The Golden Harp in Margareten, eine Bar und Restaurant mit einem langen, schmalen Billard-Raum im Keller. Das sieht fast aus wie eine U-Bahn. Es gibt vier große Tische  und heute, am Dienstagabend, treffen zwei der besten österreichischen Teams aufeinander. Die Wiener Billard Assoziation mit Kahofer, Makik, Maurer und dem aktuelle BSVÖ Präsident Herbert Thür haben es mit dem Billard Sportklub Union S.U. zu tun, mit Kostistansky, Kronlachner, Weiss und Proske. 

The Golden Harp in Wien

Die österreichische Liga ist mit nur acht Mannschaften klein: und auch das ist, so höre ich von meinen hilfreichen Dolmetscher, schon zu viel. Andreas Kronlachner, er selbst spielt über 1.0 GD und ist zuständig für die Billard Öffentlichkeitsarbeit, auch für Pool und Snooker, meint: 

"Die obere Hälfte der Liga spielt über 0,90, die vier in der unteren Hälfte haben zu kämpfen, die 0.60 zu halten. Für die Liga wäre es besser, wenn sie auf  fünf oder sechs Teams beschränkt würde." 

Am nächsten Tag treffen wir uns bei Weingartner im Kaffeehaus. Er ist ein groß gewachsener Mann, wirkt zuerst ein wenig streng, aber bald zeigt er sich von seiner freundlichen Seite. Er ist nicht leicht dazu zu bewegen, sich zur aktuellen globalen Szene zu äußern. Er sagt, er sieht Billard nicht auf  Kozoom, zieht bei weitem die Live-Atmosphäre in einem vollen Billardraum vor. Nur noch eine kleine Anmerkung rutscht raus, über den Modus der WeltCups: "Diese Finales sind zu kurz. 40 Punkte, das ist nichts für diese Spieler, in einer Stunde, in zwölf, fünfzehn Aufnahmen ist das vorbei. "

Da sind wir einer Meinung, Herr Weingartner.

Die Besichtigung des Museums ist eine wahre Freude. Jeder, der sich für unseren Sport auch nur im Entferntesten interessiert, muss das  gesehen haben. In Weingartners wenig spektakulärem, aber vornehmen, innerstädtischen Haus aus dem 19. Jahrhundert fühlt man sich wie in einer Zeitreise in die Billardgeschichte. Kugeln in allen Formen, Größen und Farben, natürlich angefangen mit Elfenbein. Tuch, im Wandel der Zeit. Banden, ob du´s glaubst oder nicht, mit dahinterliegender Metallfederung wie in einer alten Matratze. Ein Schrank gefüllt mit allen Sorten von Queuespitzen, und ein gerahmtes Bild mit Francois Mingaud, wo der Erfinder der Spitze auf sie schaut. Billard-Tische ab 1800, mit Holzschnitzereien so kompliziert und detailliert, dass sich die Grenze zwischen Handwerk und Kunst verwischt. Queues für die Mitglieder königlicher Familien; die waren so gebogen – die Queues! -, dass die Königlichen aufrecht stehend spielen konnten und sich nicht genötigt sahen, sich im Angesicht des gemeinen Volkes niederbeugen zu müssen.  

Shop, Fabrik, Kaffeehaus, Museum

Die Museumstour ist die wahrscheinlich interessanteste Geschichtsstunde, die ein Billard-Spieler je haben kann. Weingartners Wienerisch macht die deutsche Sprache weicher und verleiht jeder Anekdote einen zusätzlichen farbigen Akzent. "Ein Sammler ist per Definition unzufrieden, seine Arbeit wird nie fertig." 

Es stellt sich heraus, dass er in einem der TEP-Wettkämpfe in Amersfoort, Niederlande (die Europameisterschaften im Fünfkampf für Nationalmannschaften) gespielt hat, wo ich als Zuschauer war. "Das war die beste Veranstaltung, an der ich je teilgenommen habe."

Reden wir über "Alte Schule":

"Die Amerika (in der Freien) ist nicht etwas, das du in einer Stunde lernst. Ich habe damals fünf Tage in der Woche drei Runden um den Tisch gespielt. "

Eine andere schöne Erinnerung: "Ich war gut befreundet mit Zanetti Senior, schon seit vielen Jahren. Als er dann seinen talentierten Sohn Marco nach Wien schickt, sollte der eine Woche bleiben. Ich habe ihm viel beigebracht, wir haben trainiert, und er konnte gar nicht genug davon kriegen. Aus einer Woche wurden acht. Irgendwann dachte ich, der bleibt für immer!"

Ich nehme an, die Österreicher haben Heinrich Weingartner so ins Herz geschlossen wie die Belgier Raymond Ceulemans. Dieselbe Generation, die gleichen unermüdlichen Botschafter für unseren Sport, wirklich große alte Männer. Aber RC hat einige der weltweit Besten, die in seine Fußstapfen treten: Caudron, Forthomme, Merckx, Leppens. Fehlanzeige in Österreich! Weingartner hat zwar gesehen, wie sensationell gut Efler und Kahofer in "Viersen 2018" aufgespielt haben, aber dass einer seiner Landsleute einen WeltCup gewinnt, das war zuletzt 1994 Christoph Pilss in Oosterhout. Kann ein österreichischer Spieler in absehbarer Zeit einen WeltCup gewinnen? HW ist Realist: "Ich kann nicht erkennen, dass wir uns in den kommenden Jahren mit den Koreanern messen können. Billard-Schulen, Billard-Karrieren, acht Stunden Training am Tag. Sie werden uns überrollen."

Eine Woche in Wien hat mich dies gelehrt: Österreich mag nicht die mächtigste Billard-Nation in Europa sein, eine der freundlichsten ist sie mit Sicherheit.

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