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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Schlüsselspiele, die Dreiband verändert haben (1/3)

Gepostet von am 10. Juli 2018

Schlüsselspiele, die Dreiband verändert haben (1/3)

Kozoom

Kolumne von Bert VAN MANEN am 4. Juli 2018

Übersetzt von Andreas Volbracht

Hast du gewusst, dass Dreiband in den USA erfunden worden ist? Das Turnier der Champions im August ist nicht zufällig nach Wayman C. McCreery benannt worden; er war Pionier oder sogar Erfinder unseres Spiels. Völlig selbstverständlich betrachten wir Europa als das Gravitationszentrum des Billards, mit Asien als aufsteigendem Stern; allzu leicht könnten wir darüber vergessen, welche entscheidende  Rolle die Amerikaner gespielt haben, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Ich überspringe mal ein, zwei Generationen aus den Tagen von Welker Cochran und Willie Hoppe und komme gleich zu einem echten Wendepunkt im Jahr 1978. Die amerikanischen Spieler hatten ihre führende Rolle längst verloren, und Raymond Ceulemans war der unbestrittene König der  gesamten Dreibandwelt. Warum soll dann, so fragst du zu Recht, ein Schaukampf zwischen einem amerikanischen Berufszocker namens Larry Johnson, genannt "Boston Shorty", und dem großen Raymond Ceulemans besonders interessant sein? Warum wurde das zum historischen Moment?

Um zu verstehen, in welchem Kontext das Spiel in Las Vegas stand, muss man wissen, dass der Amerikaner und der Belgier jeweils Experten in unterschiedlichen Spielen waren, obwohl sie es beide "Dreiband" nannten. Sie spielten beinahe nach anderen Regeln! Ceulemans war der unbestrittene König im Liga- und Turnierspiel. Boston Shorty spielte nur um Geld. Bei einem Dreibandmatch um Geld, American Pool Hall Stil, scherte sich keiner um Aufnahmen, häufig wurden die nicht einmal notiert; alles, was zählte, war der Sieg.

Nach jahrzehntelanger Erfahrung im Spiel um Geld waren diese amerikanischen Zocker Spezialisten im Defensivspiel. Und da gab es keinen besseren als Boston Shorty. Es war eine Spielart von Verteidigung, die die meisten von uns in Europa noch nie gesehen haben dürften. Es war erlaubt, nicht einmal den Versuch (!) zu unternehmen, den Punkt zu machen, (wenn sie dachten, die Trefferchance wäre zu niedrig). Da wurde dann der gegnerische Ball nur ganz sanft an das eine Ende des Tisches befördert und der Spielball blieb auf der gegenüberliegenden kurzen Bande 20, 30 cm von Rot entfernt liegen. Der Gegner wird auf die gleich Weise antworten, und so konnte das, ganz wie wir es vom Snooker kennen, weitergehen. 

Heute würde das als grobe Unsportlichkeit betrachtet, als Benehmen absolut unterm Strich. Aber was, wenn beide Spieler zu dieser Taktik greifen und es keine Regel gibt, die das verbietet? Dann ist das nicht unsportliche Gemeinheit. Es ist einfach ein anderes Spiel. 

Vor diesem Hintergrund sehen wir genauer, woher Boston Shorty kam. Welchen GD er ungefähr gespielt hat, ist schwer zu beurteilen, weil er im weitaus größten Teil seiner Karriere Spiele bestritten hat, in denen die Aufnahmen nicht geschrieben wurden. Augenzeugenberichte deuten darauf hin, dass er wahrscheinlich 0.850 - 0.900 gespielt hat - guter Dreibandspieler, aber kein Ceulemans. Schon 1978 gewann Mr.100 die meisten seiner Turniere mit 1.300 oder besser, und gelegentlich war es 1.500. 

Hier kommt nun, was Boston Shorty einem Reporter in den Tagen vor seiner Begegnung mit Ceulemans erzählt hat:

"Kann gut sein, dass ich den Belgier nicht schlagen kann, er ist sehr stark. Aber ich sag dir eins: Er gegen MICH spielt der keine 1.000. Ich werde ihm ein gutes amerikanisches "Öl" servieren.“ Mit „Öl“ war gemeint Karottieren, Verteidigung, Dichtmachen, Schrott hinterlassen. Jemand, der später beim Match dabei war, berichtete, dass Shorty Ceulemans angeboten habe, "es ein wenig interessanter zu machen", mit anderen Worten, ein paar Dollar auf den Sieg in der Partie zu setzen.   

Schon ein erster Blick auf den Partiezettel zeigt, dass es für Ceulemans ein Spaziergang wurde. Er machte jeden Ticky und jeden Vorbänder wie aus dem Lehrbuch, Shorty`s Verteidigung sah aus wie die französische "Maginot Line": gebaut, um Panzer aufzuhalten, ziemlich nutzlos gegen Flugzeuge. Der Albtraum des Zockers endete nach 26 Aufnahmen: 60 - 10.  Shorty hatte es richtig angekündigt: Ceulemans spielt nicht 1.000. Tatsächlich: er spielt 2.308! 

RC - Boston Shorty 1978

Auf der rechten Seite des Spielberichts ein kleiner Fehler: Es sind 26, nicht 60 inn..  

Es ist nicht meine Absicht, Larry Johnson in dieser Geschichte als den Schurken hinzustellen. Es macht aber Spaß zu sehen, wie er die sich selber eingebrockte Suppe auslöffeln musste; eine gute Lektion für alle Billardspieler: sag nie vorher, wie deine Partie ausgeht. Aber verloren hat an diesem Tag, in dieser Partie nicht allein der Zocker Boston Shorty. Es war das finale Waterloo für seinen Spielplan, für die Strategie, ultra-defensives Dreiband zu spielen. Boston Shorty wurde in die Hall of Fame des amerikanischen Billards aufgenommen. Zu Recht: er war ein großartiger Spieler. Das Match war deshalb historisch, weil an diesem Tage die Strategie, die ihn groß gemacht hatte – Defensivspiel um jeden Preis – entlarvt wurde als schlechte Strategie, ab ins Altersheim geschickt. Erstklassige Offensive besiegt auch die konsequenteste Verteidigung.

War Raymond Ceulemans ein durch und durch offensiver Spieler? Sicher nicht. Er hat eine nahezu perfekte Balance zwischen Punkte-machen und Verteidigung gefunden. Ein Dreibandspieler, der nicht weiß, wie und wann es seinem Gegner Schrott hinterlassen muss, ist wie ein Boxer, der seine Deckung für überflüssig hält. Der bittet auch darum, dass ihm die Fresse poliert wird. Aber wenn deine Strategie sich darauf beschränkt, die Hände immer vor der Nase zu halten, dann wirst du auch nie als Sieger aus dem Ring klettern.  

Dies´ 78er Match ist die ultimative Mahnung. Denk nicht, dass es im Dreiband nur darum geht, dem Gegner den Weg zum Ziel zu versperren. Es geht darum, als erster anzukommen.  

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