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Selbstreflexion und mentale Stabilität - Interview Klaus Kessler Teil 2

Gepostet von am 28. Januar 2022

Selbstreflexion und mentale Stabilität - Interview Klaus Kessler Teil 2

© Klaus Kessler
Klaus Kessler (62), Mentaltrainer aus Mannheim / Heidelberg über die Bedeutung mentaler Stabilität im Billardsport

In der internationalen Sportwelt gelten die 70er Jahre als Wendepunkt. Bis dahin waren Unterschiede in der sportart-spezifischen Technik, dem verfügbaren Material, den allgemeinen Bedingungen und natürlich den individuellen körperlichen Voraussetzungen oft der einzig messbare Grund, weshalb jemand ein Sieger wurde. Doch die Unterschiede wurden immer kleiner. Auswahlverfahren schon im Kleinkindalter, Materialvorschriften, Messverfahren und standardisierte Trainingsmethoden hielten Einzug in die Sportwelt. Nichts blieb mehr im Verborgenen, auch wenn bis heute die Doping-Kriminalität immer noch „Erfolge“ feiert.

Schon frühzeitig erkannte die Sowjetunion, dass man die Methoden erweitern müsse. Es müsse gelingen, dass ein perfekt trainierter Athlet in jeder Situation Bestleistung erzielen wird. Also nicht nur im Training, sondern auch in einem z.B. olympischen Finale. Das war der Beginn der Sportpsychologie, die sich zum heutigen Mentaltraining entwickelte. Unzählige Beispiele gibt es von Sportlern, die über die besten körperlichen und technischen Voraussetzungen verfügten, aber erst durch die Arbeit mit einem Mentaltrainer zum Sieger reiften. 6 Monate vor ihrem Doppel-Gold bei Olympia in Peking 2008 entschloss sich die Schwimmerin Britta Steffen erstmals zur Zusammenarbeit mit einem Mentaltrainer. Die Arbeit zahlte sich aus. Der Golfprofi Tiger Woods plant seine mentalen Trainingseinheiten genauso wie seine Sportartspezifischen. Beiden wird der gleiche Stellenwert eingeräumt. Fehler auf dem Golfplatz passieren ihm auch, aber eben viel seltener.

Der Billardsport hat seit ein paar Jahren ein Niveau erreicht, das mit der Entwicklung einiger Sportarten vor 20 Jahren vergleichbar ist. Material und Technik ist kaum noch signifikant verbesserungswürdig, zumindest nicht auf dem Niveau der Top100 der Weltspitze. Über Sieg und Niederlage entscheidet nicht mehr die Qualität des Queues, sondern die Qualität der mentalen Verfassung. Das, was jedem klar zu sein scheint, ist aber dennoch nur selten ein Thema. KLAUS KESSLER spricht es deutlich aus, denn es ist seine tägliche Arbeit: „Selbstreflexion ist der Schlüssel zu mehr mentaler Stabilität“. 

Jeder Millimeter des 2,84m x 1,42 großen Billards ist erforscht. Jede noch so schwere Position kann gelöst werden, oder in einer noch schwereren Defensive enden. Eine besonders spektakuläre Lösung geht in Sekunden LIVE einmal um die Welt und schon wird sie tausendfach nachgespielt und ist nichts besonderes mehr. Klaus Kessler ist der Meinung, dass Mentaltraining zum Billard gehört die das Üben eines Doppelquarts oder dem Erlernen eines Vorband-Systems. KOZOOM traf den 62-jährigen Mannheimer zu einem Interview über den Billardsport, die ganz besonderen Herausforderungen und seine Arbeit als Mentalcoach. 

 

T E I L  2

KOZOOM/MARKUS SCHÖNHOFF - Wir haben in der heutigen Zeit das Glück mittels Live Streams alle Weltstars zu beobachten. Viele schauen auf die Technik, die Lösungen und den Partieverlauf. Kann man auch den Umgang mit der mentalen Belastung bei Weltklassespielern erkennen und was sind die wichtigsten Unterschiede zum durchschnittlichen Spieler?

KLAUS KESSLER - Mit dem nötigen Wissen, sind diese Livestreams eine Quelle der Inspiration! Sehr zu empfehlen sind an dieser Stelle auch die Kommentare einiger Weltklassespieler, die deutlich darauf hinweisen, wie genau diese sich gegenseitig „profilen“ / beobachten. 

Grundsätzlich muss hier zwischen Profis und Amateuren unterschieden werden, auch wenn beide den klassischen Einflüssen der mentalen Belastung unterliegen und damit kommunikative Signale senden (positiv wie auch negativ), klar nach dem Grundsatz von Paul Watzlawik: Man kann nicht, nicht kommunizieren!.

Zum Unterschied zu den durchschnittlichen Spielern, müssen natürlich die über Jahre und Jahrzehnte erlangten Erfahrungen und Stresssituationen mit einbezogen werden. Die Weltklassespieler gehen davon aus, dass sie ihre Trefferquoten sehr genau kennen und auch entsprechend dann handeln. Es scheint auch gegeben, dass viele dieser Spieler schon durch erhebliche Tiefs gegangen sind, die dazu führten, dass die Selbstreflektion, das Herausarbeiten von Stärken und Schwächen entweder bewusst oder unbewusst ihren Lauf nahm. 

In Gesprächen mit solchen Spielern, ebenfalls auf der Europameisterschaft 2019 in Bandenburg zeigten, dass Antworten eher allgemeingültig beantwortet, oder das Thema als „bearbeitet“ „im Griff haben“ dargestellt wurden. 

Es verwundert natürlich, dass viele Spieler mit einer Offenheit über körperliche Beeinträchtigungen sprechen, ggf. ärztliche Hilfe beanspruchen werden, jedoch beim Thema der mentalen Stabilität, eines mentalen Aufbaus sich oft hinter Mauern des Schweigens hüllen.

 

KOZOOM/MARKUS SCHÖNHOFF - Was gibt es für Möglichkeiten des mentalen Trainings und welche sind für Dreiband am Vielversprechendsten? Gibt es Möglichkeiten einer Selbstbeobachtung? 

KLAUS KESSLER - Nun anhand des bereits erwähnten Profilings und Coachings werden sich Türen öffnen, sich Wege finden, wie der Coachee sich selbst mental stärken kann, wie er lernt sich selbst besser zu beobachten, um dann mit den erlernten Techniken genau die richtigen Schritte anzugehen, bzw. seinen mentalen Zustand zu verändern.

Gerade im Billard, wie aber auch vielen anderen Individualsportarten, entstehen zum Teil extreme Glaubenssätze, die dann ein Fortkommen, ein Verbessern verhindern. Hier eruiere ich durch Fragetechniken die Problematik, entwickle zusammen mit dem Coachee Strategien um Blockaden zu lösen, die sich ansonsten wie ein mentales Virus einnisten. Und wir alle wissen, wie schwer es ist, von solchen Infektionen wieder zu gesunden. 

Wir müssen doch nur in uns hinein hören, wie wir in stressigen Situationen reagieren mit uns sprechen, teilweise auch körpersprachlich es zum Ausdruck bringen und wie oft die negative Einstellung sich dann bewahrheitet. Hier hat ein mentaler Virus schon Einzug gehalten, und kann sehr schnell zu einem Glaubenssatz reifen, der unbedingt abgeschwächt oder bereinigt werden sollte.

Sehr oft wird hier leider genau dieser Aspekt der mentalen Hilfe erst sehr spät als die eigentliche Ursache des Problems vom Coachee oder seines Umfeldes erkannt. Bei diesem Veränderungsprozess bedarf es des unbedingten Willens der Verbesserung und Disziplin um das eigentliche Problem an der Wurzel zu packen und zum Wohle des Coachees zu verändern. Zwei SoftSkills, die ich grundsätzlich Billardspielern unterstelle.

Ein frühzeitiges Integrieren der mentalen Stärkung lehrt den Spieler diesen mentalen Zustand regelmäßig zu trainieren, sich auf seine Stärken zu besinnen und dies ist genauso handhabbar, trainierbar, eine Übungssache, wie eine Verbesserung technischer Möglichkeiten beim Spiel. 

 

KOZOOM/MARKUS SCHÖNHOFF - Was wäre Deiner Meinung nach der mentale Idealzustand? Perfekte Abstimmung zwischen Ruhe und Anspannung?

KLAUS KESSLER - Jeder Spieler weiß um den sogenannten Flow, den es gilt anzugehen. Der intellektuelle Geist kommt zur Ruhe, die Präsenz bleibt aber wach. Das ist der Bewusstseinszustand, der uns zu dem macht, was wir so gerne sind: kreativ und unbändig, aufgeräumt und entscheidungsstark. Und das alles auf einmal. 

Wir haben einen erhöhten Wahrnehmungszustand, unser Gehirn arbeitet vernetzter und optimiert so unsere mentale Leistungsfähigkeit in unserem Denken und Handeln. Unser Gehirn arbeitet im sogenannten Alphamodus, mit Freisetzen von Glücksgefühlen und dem unbewussten Wissensspeicher. Zusätzlich wird auch der Gammazustand des Gehirnes gerade bei extremer Konzentration und Spitzenleistungen aktiviert. Dieser Zustand wird sich von Zeit zu Zeit selbst einstellen, kann aber auch bewusster initiiert werden, bedarf im Regelfall aber in den ersten Schritten der Hilfestellung Dritter.

 

KOZOOM/MARKUS SCHÖNHOFF - Können auch ältere Spieler sich mental durch gezielte Methoden verbessern?

KLAUS KESSLER - Eine neue Sicht der Dinge, bringt neue Dinge in Sicht, und somit in der Selbstreflexion auch Chancen und Möglichkeiten die mentale Situation zu verbessern. Unabhängig davon ist gerade eine solche Entwicklung auch der Schlüssel zu einem grundsätzlich besseren Selbstverständnis, einer inneren Zufriedenheit und damit auch zu einem größeren Erfolg.  Also, ganz klar JA! 

 

KOZOOM/MARKUS SCHÖNHOFF - Lass uns noch einmal auf das Thema Selbstreflexion eingehen. Eine Fehleranalyse im technischen Bereich ist ziemlich leicht. Zu dünn getroffen, zu hoch, zu viel/wenig Effet, falsches Tempo usw. - keine große Sache. Aber wie sieht es im mentalen Bereich aus? Was beinhaltet die Selbstreflexion in diesem Bereich und welche Erkenntnisse sollte man gewinnen? Was sind Deine Erfahrungen bei der Arbeit mit Billardspielern?

KLAUS KESSLER - Selbstreflexion ist die Tätigkeit über sich selbst nachzudenken, das Denken, Fühlen und Handeln zu analysieren und in den Kontext zu stellen, mit dem Ziel mehr über sich selbst herauszufinden.

Gerade der Billardspieler kennt die Gedankengänge in einem Spiel unter Stresssituation nur zu gut. 
Hier mal einige Beispiele, die fast unendlich fortgeführt werden könnten: 

 - Jetzt muss ich aber den Ball machen. 

 - Bei diesem Dessin nicht wieder zu dünn treffen. 

 - Konzentriere dich mal und mache endlich diesen Punkt. 

 - Jetzt unbedingt gerade stoßen.

Bei Gesprächen gibt es grundsätzlich die Oberflächen- und Tiefenstruktur der Sprache. Da die Oberflächenstruktur, auch bei der Sprache mit sich selbst, stark reduziert ist von der wahren Bedeutung der Worte, also der Tiefenstruktur, wird genau dieser Bereich im Coaching hinterfragt, analysiert und bei Bedarf korrigiert. 

Einige der o. g. Sätze klingen vordergründig durchaus positiv, zeigen aber in der Tiefenstruktur erhebliche Mängel in der Denkweise auf. Deswegen lernt der Coachee durch Übungen sich selbst besser und schneller zu begreifen / erkennen um dann dagegen zu steuern. Er lernt die Art seines Denkens und Fühlens und auch Veränderungen darin schnell zu bemerken, um die geübten Handlungsstränge zu aktivieren, bis sie idealerweise in Fleisch und Blut übergehen. Ein gewisser Automatismus wird ihm / ihr an die Hand gegeben, die Einstellung zum „Selbst“ zu verbessern. 

Als Individualsportler lernt er / sie ständig in der Selbstreflexion Werte, Ziele und Visionen mit dem eigenen Denken und Fühlen in Einklang zu bringen. 

Beim Billardspieler kommt noch erschwerend die Zeit auf dem Sessel dazu, die geradezu prädestiniert ist, Gefahr zu laufen die eigenen Stärken beiseite zu schieben, dadurch dem Selbstzweifel Nährboden zu geben und vielleicht sogar negative Glaubenssätze aufkommen zu lassen. Und ehe der / die Spieler/in sich versieht, hat das Spiel eine ungewünschte Wendung genommen, die durch mentale Stabilität hätte nicht sein müssen. 

Und dagegen lässt sich etwas unternehmen durch

Power by mentality!!!

Weitere Informationen unter info@billard-mental.com.



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