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Vorbänder ... noch schwerer als du denkst

Gepostet von am 14. Februar 2021

Vorbänder ... noch schwerer als du denkst

Kozoom

Kolumne von Bert VAN MANEN

Übersetzt von Andreas Volbracht

Vorbänder sind noch schwerer als du denkst 

... aber - den Billardgöttern sei`s gedankt - sie sind nicht so wichtig, wie du denkst.

"Theoretisch gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Aber in der Praxis gibt`s den doch." Wir könnten drüber streiten, wer das gesagt hat: Yogi Berra? ... oder Albert Einstein? Aber genauso gut könnte es Wayman McCreery gewesen sein, der Erfinder des Dreibandbillards. Ich selber kann mir kaum einen Ort auf der Welt vorstellen, wo die  beiden Erzrivalen Theorie und Praxis häufiger und heftiger an einander geraten als auf unserem grünen oder blauen Tuch.

Vorbänder sind nur ein kleiner Teil in unserem Spiel. Du kannst sehr wohl ein 40-Punkte-Match bestreiten und hast nur zwei oder drei davon gespielt. Okay, manchmal waren es fünf. Trotzdem wird auf diesen schmalen Sektor unseres Spiels mehr Interesse gelenkt als er verdient. Kaum jemand schreibt Bücher über die Frage, wo ein Fünfbänder besser wäre als ein Dreibänder oder wie der Konter bei einem 2x- rum Dessin zu vermeiden ist. Aber Systembücher können ganze Regale füllen.

Hier die Theorie: Du bist ein erfahrener Spieler, Du hast die Systeme gelernt und kennst sogar die kleinen Anpassungen, die du je nach Tischbedingungen einbauen musst. Du fühlst dich da zuhause, du kannst das und du kennst das ... neues Tuch, altes Tuch, nichts kann dich mehr erschrecken. Du rechnest, du machst dein Fine-tuning, die kleinen Anpassungen im Stoß und Tempo und der Punkt wird gemacht – neun von zehnmal – da kann man drauf setzen. Richtig? So soll es doch sein- oder?! 

Hier kommt die Praxis: Du magst zu den besten der Welt gehören, hast die Systeme studiert, in der Beurteilung von Tischbedingungen macht dir keiner was vor. Kaum einer hat ein besseres Repertoire für Vorbänder. Und doch: du lässt mehr davon aus als du machst!  

Wenn ich einen Vorbänden angehen wollte,  habe ich mich oft gefragt, mit welcher Quote die wirklich starken Spieler den gemacht hätten. Vor ein paar Monaten habe ich beschlossen, mir einen objektiven Überblick zu verschaffen. Wenn ich online Dreiband der Weltklasse sah, habe ich notiert, wie viele Vorbänder versucht wurden und wie viele gelungen sind. Das hat eine ganze Weile gedauert, denn wie gesagt, in vielen Matches kommen nur wenige Vorbänder vor. Was ich herausgefunden habe, könnte überraschend sein.

In diesen Monaten habe ich 284 Vorband-Versuche und 127 Vorband-Erfolge gesehen. Das ergibt eine Quote von 44,7%.

Ist das nun ein eindeutiger Beweis für irgendetwas? Nein. Das ist keine exakte Wissenschaft. Aber ich denke, die Stichprobengröße und die 44,7% sind ein starker Beleg dafür, dass selbst die 50 besten Spieler der Welt Vorbänder öfter auslassen als sie zu machen. Klar, manche sind darin stärker als andere. Vielleicht gibt es welche, deren Erfolgsquote über  50% liegt, ich weiß es nicht. Aber dann würden andere (die auch Weltklasse sind) 40% nicht  erreichen. An welchen der großen Namen im Dreiband du auch denkst: irgendwelche dieser 284 Versuche gehen auf sein Konto.

Ein paar Dinge, die du als kritischer Leser wissen musst:

- Einige der betrachteten Spiele stammen aus der Duke Challenge, bei der  es ein Zeitlimit von 30 Sekunden ohne time-out gab. Möglicherweise waren die Spieler dort unter Druck etwas häufiger erfolglos beim Vorbandversuch. Aber diese Bedingungen gab es nur in nicht einmal 10% der Gesamtzahl der ausgewerteten Matches.

- Bei den betrachteten PBA-Veranstaltungen gab es für Vorbänder doppelte Punkte. Die PBA-Spieler könnten daher in Versuchung gewesen sein, bei Vorbändern ein höheres Risiko einzugehen, weil die Belohnung größer ist. Ich glaube jedoch, dass dieser Faktor nur einen sehr kleinen Einfluss auf das Endergebnis haben kann.

- Mit Sicherheit waren 90% der Spieler, deren Spiele ich ausgewertet habe, unter den Top-50 in der UMB-Weltrangliste oder denTop-16 in der PBA. Die restlichen 10%  waren alle 1.2-Spieler oder besser.

Ich war auch sehr neugierig darauf, zu erfahren, welchen Anteil unter den Vorbändern die „Tickies“ haben. Es stellte sich heraus, dass das mehr als ein Drittel, etwa 36%, aller Vorbänder ausmachte. Einige Tickies sind nicht auszulassen, andere sind mehr oder weniger schwierig. Aber selbst wenn ich alle Tickies unberücksichtigt gelassen hätte, läge die Erfolgsquote über alles gerade mal bei 40%, möglicherweise darunter. Die schwierigste Sorte Vorbänder mit der geringsten Erfolgsaussichte sind die „Umbrellas“ (zwei Vorbanden, dann Ball 2, die dritte Bande, dann der Ball 3), aber die sind so selten, dass sie nur einen geringen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben. Unter den 284 gab es davon nicht einmal ein halbes Dutzend.

Zum Schluss möchte ich dich in dieses hypothetische Szenario mitnehmen. Schau es dir an und denk drüber nach.

Wir nehmen an, du bist ein 0,8-Spieler, der 20 Liga- und 20 Einzelspiele in einer Saison hat, alle bis 40 Punkte. Deine Gegner haben eine vergleichbare Stärke, aber Du gewinnst trotzdem etwa 60% deiner Spiele und machst in den verlorenen Spielen durchschnittlich 30 Punkte. Das ergibt 1440 Punkte in 1800 Aufnahmen in der gesamten Saison. Da wirst du höchstwahrscheinlich rund 175 Vorbänder gespielt haben. Du bist eindeutig nicht so stark wie die Top-50-Leute in meiner Untersuchung, also hast du keine 44,7% Quote wie die Stars.  Na gut, wir wollen nicht knickerig sein und schätzen dich auf 37% Erfolgsquote: Dann hast du 65 gemacht, 110 ausgelassen. Das schreit nach Konsequenzen, mehr Wissen, mehr Können!

Also kaufst du dir die Bücher und nimmst Unterricht! Du hast dich entschlossen, dein Wissen und deine Fähigkeiten zu verbessern, und du kennst kein Pardon mit dir. Du arbeitest hart und tatsächlich: Deine Vorband-Ausbeute steigert sich enorm. Du bist jetzt fast so gut wie die Profis: bei 41% erfolgreich (was für einen 0,800-Spieler erstaunlich wäre!). Herzlichen Glückwunsch: Du darfst jetzt damit rechnen, 72 (statt 65) von 175 Vorbändern zu machen, plus die Handvoll Punkte, die nach dem erfolgreichen Vorbänder folgen. Dein neuer Saisondurchschnitt könnte von 0,800 auf beinahe 0,808 klettern.

Das wäre eine vergnügliche Art und Weise  Zeit und Geld zu verwenden, kein Einwand dagegen! Aber es wäre kein guter Weg, sich als Spieler zu verbessern.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Wenn du deinen Durchschnitt wirklich steigern willst, ist dies die wesentliche Aufgabe: Verbessere deine Dessinwahl!


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Kommentare

Billardsportarena
Billardsportarena
Danke Bert für den Beitrag
Das ist eine sehr interessante Statistik Bert. Danke dafür.

Wie man die Wahl der Dessins verbessern kann ist glaube ich jedem klar: mit der Analyse der Spielzüge die man in seinen Matches gespielt hat. Welche Dessins hätten bei einem Fehlversuch möglicherweise den Punkt einfacher gemacht. Man kann seine Partien auch von Spitzenspielern analysieren lassen und die Dessins trainieren die er anstelle der gespielten Dessins vorschlägt. Dazu ist es erforderlich, dass man die Positionen gespeichert hat, den Verlauf der Bälle exakt verfolgen kann und dass man die Bälle genau so platzieren kann wie sie in der Partie gestanden sind. Neben einer anderen Dessinwahl hätte manchmal auch ein anderes Tempo die Erfolgschancen deutlich verbessert. Deshalb ist auch wichtig, dass man für die Analyse die Anfangsgeschwindigkeit ablesen kann.

Was ist das beste Trainingsgerät mit dem man das alles wunderbar machen kann? Du hast es selbst schon beim Training mit Marco benutzt.

Wenn es um die Vermeidung der Konter geht, die Du in Deinem Bericht auch ansprichst, dann sieht die Statistik ganz anders aus. Ich habe eine Statistik bezüglich der Konter gemacht die den Weltklassespielern beim 3CC Masters 2018 in Seoul passiert sind. Ich habe nur 5 Partien ausgewertet und setze mich vielleicht noch einmal hin um mehr Partien auszuwerten, damit das Ergebnis aussagekräftiger wird. Dann veröffentliche ich die Zahlen. Oder vielleicht hast Du auch Lust eine Statistik bezüglich der Konter zu machen, oder hast Du das vielleicht schon gemacht?
Jedenfalls scheint die Zahl deutlich höher zu sein als man gemeinhin schätzen würde. Wenn das tatsächlich so ist, dann hätte das Training von tuschgefährlichen Position ja wirklich Sinn. Dadurch würde man erstens einmal tuschgefährliche Positionen mit der Zeit besser einschätzen können und dann entweder mehr darauf aufpassen, dass man den Tusch vermeidet oder gegebenenfalls auf eine andere Lösung ausweichen, wenn der Tusch zu gefährlich erscheint.

Die beste und umfangreichste Literatur dazu hat wohl Andreas Efler verfasst. In seinen Büchern (gebunden und als eBook) sind hunderte, wenn nicht tausende, Positionen dargestellt die tuschgefährlich sind. Andreas Efler beschreibt in seinen Büchern ganz detailliert wie man den Tusch vermeiden kann. Wirklich empfehlenswert, vom Anfänger bis zum Profi.

Message 1/1 - Veröffentlichen in 15. Februar 2021 06:41

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