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Billard Karambol - Dreiband - Bert's column (NED)

Was ist passiert – mit der Freien Partie?

Gepostet von am 11. Mai 2019

Was ist passiert – mit der Freien Partie?

Kozoom

Kolumne von Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

In der Quizkategorie "Billardfragen" ist das seit Jahren der haushohe Favorit: "Wer ist amtierender Weltmeister in der Freien Partie?" Die Antwort lautet, wie ich mit Sicherheit nicht als einziger weiß, sondern viele von Euch auch: Raymond Ceulemans. Diesen besonders haltbaren WM-Titel hat er 1969 in Linz, Österreich gewonnen. Das war das letzte Mal, dass in dieser Disziplin überhaupt eine WM stattgefunden hat. Fünfzig Jahre, ein halbes Jahrhundert ist vergangen, und kein Verein oder Verband auf irgendeinem Kontinent hat je gesagt: "Wir wollen eine Weltmeisterschaft in der Freien Partie organisieren!" Warum?

Die Freie wird als zu einfach angesehen. Da gibt es zu viele Spieler, die in einer Aufnahme ausmachen, die vier- oder fünfhundert Punkte in der Amerika machen, wo die Bälle in einem kleinen Dreieck versammelt sind und die Bande rauf, die Bande runter, rum um den Tisch geschoben werden. Der legendäre Willie Hoppe hat um 1915 angeblich Serien mit über 2000 gemacht. Auch die später veränderten Regeln (nur einen Punkt, wenn die drei Bällen innerhalb des Eckenabstrichs stehen, und Anfangsball, wenn der Spielball press steht.) haben nichts gebracht. Die Freie ist gleich leicht geblieben. Da waren die Herausforderungen bei 47/2, 71/2 und 47/1 wesentlich höher, und die Spitzenleute haben die Freie hinter sich gelassen.   

Dem sterbenden Spiel wurde 1988 in den Niederlanden der "Gnadenstoß" versetzt. Harrie van de Ven war ein beeindruckender Freie Partie Spieler. Er erreichte das Finale in der holländischen Meisterschaft, ohne einen einzigen Fehler gemacht zu haben. In der Gruppenphase hatte er alle Spiele in einer Aufnahme gewonnen und im Halbfinale genauso. Er war auf dem besten Weg, sein letztes Spiel gegen Raimond Burgman auch in einer einzigen Aufnahme zu beenden, als ihn der Schiedsrichter nach 253 Schnellfeuerpunkten auf den Stuhl schickte. Der Mann in Schwarz meinte und sagte, einer der beiden anderen Bälle sei noch nicht in Ruhe gewesen, als van de Ven den Spielball in Bewegung setzte. Burgman machte in aller Ruhe seine 400 und wurde Meister mit 160,00 GD. Van de Ven hatte in der ganzen Woche nach 2253 Punkten in Folge nur diesen einen Ball ausgelassen, er hatte 375,50 GD gespielt, hatte aber nicht Gold gewonnen, sondern musste sich mit Silber begnügen. 

Spieler, Zuschauer, Journalisten und die Billardwelt mussten erkennen: Das ist lächerlich. Es war im Grunde das Wochenende, an dem "Libre", wie die Freie Partie auch genannt wird, als Billard-Disziplin für Profis starb und endgültig zu Grabe getragen wurde. Für den Amateur lebt es natürlich weiter. Egal, ob du 1 oder 10 Durchschnitt spielst, ob du auf einem 2,10- oder einem 2,30-Billard oder einem 2,84-Tisch spielst, die Freie kann sehr herausfordernd, schwierig, aller Mühe wert und schön sein. Wenige Dinge im Billard sind schöner anzusehen als ein erfolgreiches Versammeln der Bälle. Das Spiel wird mit vollem Recht geliebt, gelebt, gespielt, der Lernzuwachs dabei ist allein schon faszinierend. Nur:  wenn du die Freie  zu MEISTERn gelernt hast, dann wird sie repetitiv, einfach und – sorry - : etwas langweilig.  

Bei der EM in Brandenburg es keinen Titel in der Freien außer für Junioren U17 und U21 und die Damen, das war's. Ich denke, dafür gibt es gute Gründe. (Ich frage mich nur, warum wir in 47/2 und 71/2 europäische Titel haben, aber nicht in 47/1?) Die Veranstaltung in Brandenburg konzentriert sich auf die beiden Disziplinen, die wirtschaftliches Potenzial und damit eine Zukunft haben: Dreiband 5-Kegel. Einzelmeisterschaften, Vereinsmannschaften, Nationalmannschaften, kleiner Tisch, großer Tisch, Damen, Junioren, Rollstuhlfahrer, du hast es gesehen, Brandenburg hat es alles.  

Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und wage es, eine Frage zu beantworten, die immer wieder gestellt wird: "Muss man zur Schule gehen und die Freie lernen, bevor man sich am Dreiband versucht?“  

Nein.

Einige sehr starke Spieler kommen von der Technik, andere nicht. Einige sind vom Pool und von 5-Kegel zum Dreiband gewechselt. Etwa 1.000 durchschnittliche gute Dreibandspieler haben 100 Durchschnitt in der Freien gespielt, andere würden nicht mal 5 Durchschnitt spielen, wenn es darum ginge, ihr Leben zu retten. Einige Stars der neuen Generation aus Koreanische und Vietnam haben in ihrer gesamten Karriere nichts anderes als Dreiband gespielt. Dein Potential in Dreiband hat mit deinem Können in der Freien (auch im Cadre) fast nichts zu tun. Entscheidende Voraussetzungen sind eine solide Technik, ein gerader Stoß  - mit viel Qualität, eine Bockhand - wie festgenagelt, ein Körper – keine Bewegung! Um das zu erlernen, brauchst du weder die Freie noch Cadre.   

Habe ich etwas vergessen? Ja, habe ich. Die eine Disziplin, die die Lücke zwischen den technischen Spielen und Dreiband überbrückt: Einband. Ein erstaunlich anspruchsvolles Spiel, wo jedes Element, das einen guten Billardspieler ausmacht, auf den Prüfstand kommt. Wenn du irgendwo eine Schwäche hast, im Einband wird sie gnadenlos sichtbar. Du musst die Linien sehen und die  big points machen – über zwei, drei und mehr Banden.  Du musst auch in der Lage sein, das ganz gepflegte, feine Spiel zu beherrschen,  die hauchdünnen Karambolagen auf einem Quadratzentimeter, die Miniaturmassés, die Pikés und Amortis zu machen, wo der Ball 2 in die Umlaufbahn gejagt wird und dein Spielball sich mal eben zwölf Millimeter bewegt.    

Wer sich Einband ausgesucht hat, der hat sich eine knallharte Geliebte angelacht. Der Niederländer Dave Christiani und der Belgier Eddy Leppens, beide Allroundspieler auf dem höchstem Niveau im Einband wie im Dreiband, hatten in Brandenburg  über zweieinhalb Stunden mit Positionen zu kämpfen, die schwerer als schwer waren. Die beiden spielten da  nicht ganz auf dem gewohnten hohen Niveau, aber – mein Gott, wie grausam können die Bälle laufen und stehen! Vielleicht werdet ihr mich jetzt für einen Sadisten halten, aber ich war fasziniert. Ich habe es angesehen, und ich habe es bewundert. 

Auch das Leiden im Spiel macht Billard zu dem, was es ist: ein Sinnbild unseres Lebens.

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Kommentare

Dreibandarmin
Dreibandarmin
Facetten des Lebens
Im Billardspiel sind so viele Facetten vereint wie im richtigen Leben, in einem Spiel von Himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt ! und gerade das macht unseren Sport so interessant.

Message 1/4 - Veröffentlichen in 15. Mai 2019 10:00

Taschendieb
Taschendieb
Der König himelf
Das der größte überhaupt noch amtierender Weltmeister ist habe ich nicht gewußt. Wow, passt zu ihm
nicht nur die meisten Titel sondern auch den längsten ;-).
ER ist genau der richtige Titelträger.

PS: Jetzt habe ich in der Überschrift kein "s" und kann es nicht mehr editieren, zifix

Message 2/4 - Veröffentlichen in 16. Mai 2019 07:41 - Edited at 16. Mai 2019 07:43

Steffen
Steffen
Tut mir echt leid Bert,
aber das kann ich nicht akzeptieren!!!

Die (für mich) drei besten Dreibandspieler aller Zeiten?? Caudron, Jaspers, Ceulemans !! Kann jeder selbst nachschauen, ob und wieviel sie "Freie Partie" gespielt, gelebt haben! Die Stabilität in ihrem Spiel kommt von tausenden Karambolagen in den technischen Disziplinen! Und da kommt kein Koreaner oder Vietnamese heran, sie sind wohl punktuell Klasse, vielleicht sogar in einem Turnier besser, aber in der Leistung über die Jahre meilenweit weg! Und das kommt von der Technik! Das ist meine Überzeugung!

Message 3/4 - Veröffentlichen in 18. Mai 2019 02:12

Steffen
Steffen
Kleines Intermezzo
eine kleine Anekdote am Rande.

Ich trainiere seit einiger Zeit Kinder in unserem geliebten Sport. Natürlicherweise in der "Freien Parte". Womit sollte man sonst anfangen? Aber von den fünf Kids waren schnell einige darauf aus, Dreiband zu lernen. Bis auf einen, dem dieses Spiel gar nicht gefällt. "Warum soll ich die Bälle auf dem Tisch verteilen, wenn ich sie so schön zusammen kontrollieren kann?" Er war nicht zu bewegen, auch nur ansatzweise Dreiband zu trainieren. Lieber spielte er einen Zieher nach dem anderen, alles auf Vereinigung!
Dann die Deutsche Meisterschaft, Talentwettbewerb U15! Und genau der Junge, der nichts mit Dreiband am Hut hat, spielt den besten GD, die beste Partie im Dreiband und wird Vizemeister! Ohne sich auch nur ansatzweise mit diesem Spiel beschäftigt zu haben! In fünf Partien erreicht er dreimal das Punktelimit, sooft wie kein anderer Spieler, ja soger öfter als alle anderen Spieler zusammengenommen !

Wie geht sowas? Ganz einfach, der Bursche hat (hier noch rudimentär) die Technik dafür, er kann die Bälle in Ansätzen "behandeln". Und das kommt vom Training für die "Freie Partie" und nirgends sonst her!

Und da sind wir wieder beim Ansatz, bei Ceulemans, Caudron, Jaspers, Zanetti, Leppens..............

Lieber Bert, hier ist Deine gesuchte "Freie Partie"

Message 4/4 - Veröffentlichen in 18. Mai 2019 03:17 - Edited at 18. Mai 2019 06:32

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