VERVIERS - Iwan Simonis feiert in diesem Jahr 335. Geburtstag. Der belgische Hersteller von Billardtuch ist ohne Zweifel ein Teil der Geschichte unseres Sports. Es ist diese Spezialisierung und das einzigartige Know How, die es dem Unternehmen ermöglichte, weiter zu wachsen, während ein großer Teil der europäischen Textilindustrie in den letzten 30 Jahren durch die asiatische Konkurrenz dezimiert wurde. In letzter Zeit sind viele Gerüchte über ein neues Tuch speziell über die sozialen Netzwerke verbreitet worden. Ist das alles nur "Bloses Gerede" oder echte Billard Innovation. Es ist schwierig, dass alles genau zu verstehen. Kann das "Royal Pro" Tuch das berühmte Simonis 300 Rapide ablösen, dass in den meisten Clubs verwendet wird?

Um das Ganze besser zu verstehen, fragten wir Iwan Simonis` kaufmännischen Direktor, Bernhard Bollette nach seiner Meinung. Seine große Gestalt und sein Lächeln sind den Billardspielern, die ihn regelmäßig bei großen Veranstaltungen treffen bestens bekannt. Trotz seiner diskreten und zurückhaltenden Art stimmte er zu, uns einige Fragen zu beantworten.

KOZOOM: Das Simonis 300 hat sich seit vielen Jahren als das erfolgreichste Tuch in den Karambol Clubs etabliert. Was ist der Grund für den Erfolg?

BERNHARD BOLLETTE: Die Simonis Tücher sind weltweit in allen Disziplinen erfolgreich. Nicht nur beim Karambol, sondern auch beim Pool und in geringerem Maß auch beim English Pool und Snooker, wird unser Tuch verwendet. Darüber hinaus auch bei weniger bekannten Spielarten, wie Pyramide und russisches Pool Billard. Den Erfolg unserer Produkte kann man in wenigen Punkten zusammenfassen. In erster Linie natürlich die große Erfahrung mit Textilien seit 1680, dann die Spezialisierung auf das Billardtuch Mitte des 19. Jahrhunderts und damit 160 Jahre Erfahrung allein in diesem Bereich. Neben unserem Know How und unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung, sichern auch Qualitätskontrollen die Zuverlässigkeit bei der Produktion. Das ist von wesentlicher Bedeutung.

KOZOOM: Also ist Erfahrung und Qualitätskontrollen die Basis für den Erfolg?

BB: In den meisten Fällen ja, aber bei unserer Marketing- und Werbestrategie geht es auch um die Möglichkeit, die Top-Ligen und die Turniere mit unserer Marke auszustatten. Seit Jahrzehnten umgeben wir uns mit den besten Spielern und allen Champions. Diese Spieler geben uns ihr Feedback, beraten uns, damit wir weiterhin ein Tuch produzieren könne, dass auf die Bedürfnisse des Marktes abgestimmt ist. Der beste Beweis ist der kontinuierliche Anstieg der Durchschnitte im Dreiband in den letzten Jahren. Ich sage nicht, dass diese Entwicklung ausschließlich auf das Tuch zurückzuführen ist. Es gibt natürlich noch andere Faktoren, aber es beweist, das die Qualität unserer Gewebe immer besser wird, auch wenn wir das nicht immer sofort realisieren. Unser Erfolg ist auch auf die Qualität und Professionalität unseres Netzes von Vertriebspartnern zurückzuführen. Das ist ein weiteres Schlüsselelement. 

KOZOOM: Lassen Sie uns über das Simonis 300, das bekannteste Tuch im Karambol-Billard, sprechen. Wenn wir Sie richtig verstehen, ist das Tuch nicht mehr dasselbe, wie vor 20 Jahren? Hat sich der Herstellungsprozess geändert?

BB: Ja, das gegenwärtige Tuch ist nicht dasselbe, wie vor 20 Jahren. Wir haben neue Techniken integriert und die Verarbeitung ist anspruchsvoller, damit wir bei Geschwindigkeit und Genauigkeit immer besser werden. Wenn neue Trends entstehen, dann müssen wir diese prüfen und nach Bedarf in die Produktion einfließen lassen. Schon seit einiger Zeit arbeiten wir an einer neuen Version für ein Banden-Tuch. Früher war dies das "Super-Extra-Roulant" oder "585". Das neue Tuch ist in der Entwicklungsphase und nach weiteren Tests wird es im Markt eingeführt. Beim Stoff für die Schieferplatte sind die Spieler sehr zufrieden.

KOZOOM: Das Royal Pro, ein neues Tuch ohne Wolle, ist in den letzten Wochen in aller Munde. Wir haben es noch nicht getestet, aber das Hauptargument ist, dass der Billardtisch mit diesem Tuch nicht mehr so stark beheizt werden muß. Was denken Sie?

BB: Eine große Debatte! Zunächst einmal dürfen wir eins nicht verwechseln. Genauigkeit und Geschwindigkeit müssen - unabhängig von der Zeit - immer von großer Präzision sein. Unser aktuelles Simones 300 Rapide Tuch ist sehr schnell, aber auch sehr genau, wenn es um Dreiband geht, aber auch für Cadre oder Freie Partie. Was passiert mit einem 100% synthetischen Stoff in Punkto Präzision bei den Serienspielarten oder Kunststoß? Ich habe immer noch Zweifel an der Genauigkeit der Laufbahn des Spielballes bei einem 100% Kunststoff-Tuch, insbesondere kurz bevor der Ball zu stehen kommt. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Und dann natürlich die Frage. Was ist mit einem Synthetik Tuch kurz nach den Beziehen? Wird es mehrere Tage rutschen?

KOZOOM: Die 100%-Kunststoff Formel ist also nach ihrer Auffassung keine Zauberformel?

BB: Wir müssen wissen, dass ein 100% Kunststoff-Tuch nicht nur anfällig für Verschmutzung ist, sondern auch furchtbar laut? Zauberformel? Ich versuche es zu erklären. Im Bezug auf die Verwendung eines solchen Tuches bei den Banden ist klar, dass das Fehlen von Wolle es ermöglicht, dass das Effet regelmäßiger und konstanter zurückgegeben wird. Ich gebe zu, dass ein 100% Kunststoff Tuch innovativ sein kann, nicht im Bezug auf die Zusammensetzung und die Konstruktion, aber wohl bei der Verwendung als Banden-Bezug. Und tatsächlich arbeitet unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung seit einiger Zeit an verschiedenen Arten für Tücher ausschließlich für die Banden. Aber bei der Verwendung für den Bezug der Schiefertafel bin ich ziemlich unnachgiebig. Da hat ein Kunststofftuch viel mehr Nachteile und daher nicht soviel Qualität, wie ein Tuch aus edlen Wollstoffen, wie es das Simonis 300 hat. Bezüglich der Heizung kann ich sagen, dass man ein Billard auch bei Kunststoff erhitzen muß, aber vielleicht in geringerem Maße. Klar ist auch, und das ist wichtig für alle Leser, dass im Gegensatz zu der Wolle, die wir verwenden und die natürlich feuerfest ist, in der Produktion dieses Kunststofftuches Viskose verwendet wird, die sich leicht entzündet und brennen kann, vor allem wenn die gesamte Fläche inkl. der Banden mit diesem Material bezogen sind. Ich weiß, dass dies nicht direkt im Zusammenhang mit einer Partie Billard stehen sollte, aber es ist eine unbestreitbare Tatsache.

KOZOOM: Das andere harte Argument für diesen Stoff, der nicht ignoriert werden kann, ist der Preis.....

BB: Natürlich ist ein 100% synthetisches Gewebe deutlich weniger teuer in der Herstellung, allerdings gilt diese Preisdifferenz nur für das Produkt, nämlich das Tuch. Die Arbeitskosten sind genau die gleichen, egal welches Tuch. Wir alle kennen zudem die hohen Preise für das Beziehen und das Kunststofftuch verschmutzt leichter und muß demnach auch öfter ersetzt werden. Wenn man dies berücksichtigt und die verwendeten Materialien und das Herstellungsland, dann ist am Ende der Preis, zu dem die Clubs das Tuch kaufen, sehr hoch.

KOZOOM: Man hat das Gefühl, dass Ihr Tuch heute ein Opfer des eigenen Erfolgs ist. Der Markt scheint blind jede Art von Neuheit zu begrüßen. Ist diese Art von Wettbewerb gut?

BB: Natürlich ist Wettbewerb gut, das ist nicht das Problem. Glauben Sie mir, Simonis lebt in einer wettbewerbsintensiven Welt, entgegen dem, was viele Menschen irrtümlich glauben. In allen Disziplinen des Billardsports haben wir mindestens ein Dutzend verschiedene Mitbewerber auf der Welt. So ist das. Allerdings ist Simonis vielleicht der wichtigste Hersteller von spezifischen Tüchern für alle Disziplinen. Und im Hinblick auf das blinde Begrüßen jeder Neuheit. Da glaube ich, Sie haben recht. Wenn man, wie wir, ein weltweites Vertriebsnetz hat, kann man nicht immer für die eigene Reputation und Bekanntheit sorgen. Viele Leute sagen irreführende Dinge über ihr Produkt, aber über den Wettbewerb können sie nichts sagen. Da steht natürlich unsere Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Unsere direkte oder indirekte Kommunikation muß da gegensteuern. Der Wettbewerb mit einem 100% Kunststofftuch macht das Gegenteil. Ich sehe, dass viele Menschen ihre Objektivität verlieren, weil sie von vielen Unwahrheiten geleitet werden. Und in der Tat, Gerüchte sind manchmal wahr, manchmal falsch, aber sie sind immer das Ergebnis mangelnder Kontrolle und der Bereitschaft eines objektiven Vergleichs. Der Promoter und sein Netzwerk ermöglicht es, das viele irreführende Dinge gesagt werden, ohne das sie kontrollierbar sind.

KOZOOM: Soziale Netzwerke verstärken die Mundpropaganda ganz erheblich. Damit hat ein kleiner Konkurrent die Chance mit wenig Geld eine große Bekanntheit aufzubauen. Sie werden manchmal für ihre Monopolstellung zumindest im Karambolbereich verantwortlich gemacht. 

BB: Fälschlicherweise verantwortlich gemacht. Natürlich haben wir Schuld daran, dass wir die Karambol Welt mit Tuch versorgen und Turniere in der ganzen Welt unterstützen. Wissen Sie, die UMB hatte eine ganze Zeit zwei Stofflieferanten: Simonis und Gorina. Es ist normal, dass Föderationen Verträge für die Nutzung von Sportgeräten abschließen. Natürlich gegen bezahlung. Wenn in all den Jahren einige Hersteller von Tüchern nicht über die Mittel oder den Willen verfügen, den Sport mit Sponsoring Verträgen zu unterstützen und es nur einen Lieferanten an Bord gibt; ist das dann die Schuld von Simonis?

KOZOOM: Natürlich nicht, aber ihre Führungsposition macht sie auch anfällig für diese Art von Kritik....

BB: Ja, aber für diese Kontrakte mit dem Billardsport gibt es nun mal ein besonderes Auswahlverfahren. Alle anderen sind völlig offen. Manche Menschen kritisieren uns zu Unrecht wegen mangelnder Information. Unsere Haltung dazu ist, dem Billardsport und insbesondere Karambolage das zurück zu geben, was uns in Bezug auf Bekanntheit gegeben wurde. Seit Jahrzehnten versuchen wir nicht nur ein profitables Unternehmen zu führen, sondern leisten auch unseren Beitrag -und das ist ziemlich beträchtlich- für die Entwicklung des Sports, die Förderung von Spielern und der Ausbildung junger Talente. Und natürlich auch die Organisation von Turnieren, die ohne unsere Hilfe nicht stattfinden würden. Wie bereits erläutert, werden wir auch weiterhin an neuen Stoffentwicklungen arbeiten, mit neuen Farben, insbesondere für den Freizeit Billardbereich für private Hausbesitzer. Wir sind ein Hersteller, der seine Produkte von A bis Z selbst managt und kontrolliert. Es ist verlockend, Simonis zu kritisieren, aber ohne unseren technischen Beitrag und unsere Unterstützung wäre Billard nicht dasselbe wie heute.