Kolumne von Bert van Manen

Übersetzt von Andreas Volbracht

Wir haben uns auf diesen Seiten oft mit der Frage befasst, was einer an Technik braucht, um zum Weltklasse Spieler im Dreiband zu werden. Du brauchst einen soliden Stand, einen Stoß, der die gesamte Bandbreite abdeckt  von der präzisen Sanftheit, mit der ein Hirnchirurgen zu Werke geht bis zur ungehemmten Kraft und Geschwindigkeit, mit der man einen Vorschlaghammer niedersausen lässt, du brauchst ein perfektes, sicheres Tempogefühl, Nerven wie Drahtseile, souveräne Entscheidung für die richtige Stoßvariante, eine clevere Balance von Attacke und Defensive, gründliche Kenntnis vom Positionsspiel. Kurzum, du musst 1.600 als GD haben. Wenn du das schaffst, darfst du dich als Top-Spieler betrachten. Bring´ die 1.800, und du gehörst zu Weltspitze.  

Wir leben in guten Zeiten für einen Top Dreibandspieler. Wir alle haben gesehen, wie Merckx seinen großen Scheck in Seoul kassierte, Caudron einen noch größeren in New York. Das ist nicht die Dimension wie im Tennis oder Golf, aber die Jungs machen jetzt ernsthaft Kohle. Wenn du nun selbst ein junger, talentierter und ehrgeiziger Spieler und denkst, du schaffst die 1.600 in den nächsten Jahren: Liegt da eine goldene Zukunft vor dir? Könnte! Aber sei trotzdem gewarnt: Es gilt, mehr zu können, als nur gut spielen. Du musst einen Beruf beherrschen, professionell am Tisch und auch, wenn du nicht am Tisch stehst (... oder sitzt).

Wenn du ein Tierliebhaber bist, gibt es wohl kaum einen edleren Beruf, der dir mehr geben kann, als  Tierarzt zu sein. Allerdings gehört dazu, dass du gelegentlich deinen Arm bis über den Ellbogen in den Arsch einer Kuh stecken musst. Jeder Job hat Schattenseiten, und für einen Dreibandprofi gibt´s da keine Ausnahme. Lass uns ein paar Punkt näher besichtigen, damit du zumindest eine Idee bekommst, wohin und wie der Hase läuft.

Reisen 

Wenn du je von Europa nach Asien oder auch nur von den USA nach Europa geflogen bist, weißt du Sie, wie lang acht Stunden dauern können, wenn du sie im Flugzeugsessel verbringen musst, mal angenommen, du kannst dir die Business-class (... noch!) nicht leisten. Rechne damit, jedes Jahr mehr als 100 Stunden auf diesem Stuhl zu hocken.  

Jetlag  

Einigen macht das mehr aus, anderen weniger, aber die meisten Menschen kämpfen zwei oder drei Tage lang, bis sie sich nach einem transkontinentalen Flug in dem neuen Rhythmus beim Schlafen und Wachen angekommen sind. Du wirst dich am Billardtisch manchmal aus Schlafmangel unerklärlich schlapp fühlen.  

Essen 

Klar, bei McDonalds kannst du in jedem Land der Welt essen. Aber glaub mir, du wirst glücklicher (und gesünder) sein, wenn du es hingekriegt hast, es zu akzeptieren und zu genießen: koreanisches Essen in Korea, mexikanisches Essen in Mexiko, usw.. Erwarte auf keinen Fall, dass dein Körper sich genau so fühlt und funktioniert wie zu Hause, den Gefallen wird er dir nicht tun.   

Sprachen

Aus welchem Land du auch kommst, du hast dir einen großen Gefallen getan, als gelernt hast, zumindest (ein bisschen) Englisch zu sprechen. Das ist auf jedem Kontinent eine große Hilfe. Was das damit zu tun hat, wie du in einem Turnieren auftrittst? Frag doch mal einen von den aktuellen koreanischen oder vietnamesischen Topspielern, wie die das sehen oder gesehen haben. Oder einen von den Türken.

Formate

Es wird vorkommen, dass die Turnierleitung den Plan so gemacht hat, dass  drei Matches am selben Tag zu spielen hast. Physisch ist das keine großes Ding, aber mental wirst du dich ausgehöhlt fühlen sein. Da werden manchmal werden zwischen deinen zwei Spielen sechs Stunden liegen. Langeweile kann brutal sein.  

(Und wie reagieren die Fans zu Hause, vor ihrem Bildschirm?  Hat je einer gesagt: "Der arme Kerl, sein Magen in Aufruhr wegen des seltsamen Essens, und letzte Nacht hat er nur drei Stunden schlafen können." ? NIE! Was sie gesagt HABEN, klingt eher so: "Der Typ spielt eine solche Scheiße. Selbst ich hätte diesen Ball verwandelt – und auf Stellung!")

Tische

Verlass dich drauf. Zwischen den Bedingungen im Ligabetrieb und bei WeltCup Turnieren liegen Welten. Für einen Außenstehenden mag es seltsam klingen, aber es ist so: In den Ligen ist das Tuch abgespielter die Tische sind - im Allgemeinen - kürzer, in WeltCup Turnieren ist alles nagelneu, in der Liga ist es daher LEICHTER, hohe Durchschnitte zu spielen. Die ersten Tage bei den internationalen Turnieren können grausam sein. Du - als aufstrebender Dreiband-Profi – musst  in der Lage sein, auf sechs oder sieben verschiedenen Produkten mit einem ganz spezifischen Tischcharakter zu spielen. Da hast du 3000 Stunden auf einem Verhoeven oder Gabriels trainiert. Dann geben dir volle fünf Minuten, um sich an Platin, Carrinho, Min oder Hollywood zu gewöhnen.   

Benehmen 

Deine Weltklasse-Kollegen werden verlangen, dass du dich so benimmst, wie es im hochklassigen Dreiband üblich geworden ist. Nimm das nicht zu leicht, der Standard ist verdammt hoch. Wenn du zum Beispiel einen Zweibänder gemacht hast und der Schiedsrichter zählt ihn, wird dir keiner einen Orden umhängen, wenn du abwinkst und dich auf deinen Stuhl hinsetzt. Denn da hast du nur das getan, was als selbstverständlich von dir erwartet wird. Nimmst du den Punkt, dann hast du einen Schritt vorwärts in deinem Match gemacht und zwei große Schritte rückwärts in deiner Karriere als Topspieler.   

Enttäuschung

Du wirst manchmal schlecht spielen und verlieren. Manchmal wirst du außerordentlich gut spielen und doch verlieren. Du kannst die Nummer eins auf der Welt sein, und wirst gelegentlich von einem nicht gesetzten Nobody rausgekickt. Enttäuschung und wie du damit umgehst, das sind Schlüsselfaktoren in einer Dreiband-Karriere.  

Medien

Es ist einfach, ein Interview zu geben, wenn du gerade gewonnen hast. Aber heute, da Dreiband Billard sich rapide professionalisiert, wird von dir erwartet, dass du zwei Minuten, nachdem du verloren hast, in der Lage bist in ein Mikrofon sprechen und nicht rumzustammeln. Bringst du es, etwas Nettes über deinen Gegner sagen, deine Niederlage mit Würde einzugestehen? Oder wirst du dich lächerlich machen und über die große Wirkung dieses kleinen Fehlers räsonnieren, den der Schiedsrichter gemacht hat?

Ja, die Aufgabe ist alles andere als leicht. Aber allemal besser als von acht bis sechzehn Uhr dreißig für einen unfähigen Boss zu malochen.